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Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Titel: Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel
Autoren: Elisabeth Zöller
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Hunger.«
    Ich muss lachen. Das kann nur Hans sein.
    »Bleib einen Moment hier sitzen und denk über alles nach. Es ist nicht meine Art, viele Worte zu machen. Wenn dein Bruder gegessen hat und ihr miteinander geredet habt, soll er das Holz im Schuppen hacken. Sag ihm, dass es hier nichts umsonst gibt.«
     
    Minuten später sitze ich mit Hans am großen Arbeitstisch in der Küche. Hans’ Lippen glänzen fettig. Er mampft Bratkartoffeln, Spiegeleier, Speck, Stippmilch und Pumpernickel mit Rübenkraut. Zwischendurch blickt er von seinem Teller auf und grinst schelmisch.
    »So ein Festessen.« Eine Locke fällt ihm in die Stirn. Er streicht sie nicht weg.
    Schwester Angelika hat Spaß an seinem Appetit.
    »Das mit dem Holzhacken geht klar«, sagt Hans. Er streicht sich über den Bauch. Angelika bringt noch Muckefuck, kuhwarme Milch und Rosinenbrötchen.
    »Alles von unserem Hof oder selbst gemacht«, sagt sie stolz.
    Irgendwann nimmt Hans meine Hand und drückt sie leicht. »Weißt du noch, als wir um die Wette gerannt sind? Du und Alfred Dompert?« Er sieht mich aufmunternd an. Der Druck seiner Hand wird stärker. »Diese Promenade ist eine blöde Falle. Sie geht im Kreis und immer nur um die Stadt herum. Wir hätten zusammen weglaufen sollen. Ich denke oft darüber nach, aber heute ist es zu spät.«
    Hans erzählt mir, dass er an dem Tag, als Vater mich schlug, zu Oma gefahren ist. Die schnappte sich Opa und den Regenschirm, und dann fuhren sie in die Stadt.
    Hans berichtet weiter, dass Opa brüllte: »Himmel, Erich! Du weiß nicht mehr, was du tust!« Dann ist er mit Vater im Herrenzimmer verschwunden.
    »Danach bestand Papa nicht mehr darauf, dich in ein Jugendstraflager zu stecken. Er war mit deiner Unterbringung hier einverstanden. Und Opa zwinkerte mir zu. Mama weinte nur noch. Sie wollte dich zurückhaben, zu Hause. Aber das war für Papa kein Thema. ›Ich will keinen Widerstand, vor allem nicht im eigenen Haus.‹ Und damit erstickte er jede Diskussion.«
    Hans legt seinen Arm um mich. Ich schmiege mich hinein. Wie gut das tut!
    »Es war Mamas Idee, dich hier ins Kloster zu bringen. Sie hat sich verändert. Sie ist wieder mehr so wie früher.« Das sagt er zögernd, doch ich weiß genau, was er meint. »Ich soll dir Grüße von ihr bestellen. Sie vermisst dich, aber Papa hat uns verboten, dich zu besuchen. Sie weiß genau, dass mir sein Verbot egal ist. Ich glaube, ihr ist es auch egal. Sie wird sicher bald kommen und dich besuchen. Und ich bin ja jetzt hier, Schwesterchen.« Er ist fast so ausgelassen wie früher, wenn wir zusammen gespielt und Quatsch gemacht haben.
    Wie gut es tut, so etwas zu hören und von Hans in den Arm genommen zu werden.
     
    Wenige Tage später sitze ich am Fenster und schaue auf Bäume und Wege. Es schneit nicht mehr, und der Hofhund ist ruhig.
    Da kommt etwas Schwarzes herangekrochen. Ein Auto. Ein schwarzes Auto. O nein! Der Schrecken raubt mir fast den Atem. Es kriecht heran, das Monster, wie eine kräftige Spinne, die sich alles greift. Dann hält es unten vor unserem Eingang.
    Ich recke mich aus dem Fenster. Kommen jetzt Männer, die mich holen? Hat Papa sie geschickt? Falls es so ist, werde ich wegrennen, mich verstecken. Er kriegt mich nicht. Nein, nie mehr. Meine Finger krallen sich an der hölzernen Fensterbank fest. Nein, die dürfen mich nicht holen!
    Doch dann steigt nur ein einzelner Mann aus, einer in einem schwarzen Ledermantel. Einer allein macht mir keine Angst. Die, die einen bei Nacht abholen, kommen immer zu mehreren. Das hat Mathilda mir erzählt.
    Der eine Mann trägt ein schmuckloses, braunes Päckchen in der Hand, einfaches Packpapier und eine geknotete Schnur.
    Seine Faust schlägt gegen die Tür. Das kann ich bis oben hören. Warum benutzt der nicht die Glocke?
    Soll ich vielleicht doch wegrennen, mich verstecken?
    Da geht er schon wieder zurück zum Auto. Der Kies und der Schnee knirschen unter seinen Stiefeln. Kurz darauf fährt das Auto wieder ab, kriecht den verschneiten Weg hinunter. Ich schaue ihm lange nach, muss sicher sein, dass er wirklich weg ist.
     
    Am Abend gibt mir eine der Nonnen das Päckchen. Es ist von meinem Vater.
    Will er mich um Entschuldigung bitten? Will er wieder mit mir reden? Sind das jetzt vielleicht meine Glückstage? Erst Hans’ Besuch, dann ein Geschenk von Papa … Mit zitternden Fingern reiße ich das braune Packpapier auf, so aufgeregt bin ich.
    Doch das »Geschenk« fällt mir vor Schreck fast aus der Hand. Es ist
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