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Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Titel: Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel
Autoren: Elisabeth Zöller
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Fenstern, bepflanzt mit roten Geranien und weißen Margeriten. Doch in diesem Jahr nutzt meine Mutter die Kästen für Kräuter und Gewürze. »Blumen kann man nicht essen«, sagt sie.
    Unser Haus ist trotzdem schön mit seinen grünen Blendläden und der hölzernen Dachgaube. Dort ist Hans’ Zimmer. Meines liegt nach hinten zum Garten hinaus. In unserer gemütlichen Küche mit den schwarzweißen Bodenfliesen stehen der Kohleherd, der große Küchenschrank mit den zwei Glastüren und den Schütten für Zucker, Salz, Grieß, Mehl und Sago und ein Tisch mit einer Eckbank und zwei Stühlen. Die gute Stube, die in der Woche verschlossen bleibt und nur sonntags oder wenn Besuch kommt genutzt wird, ist wirklich etwas eng. Aber das liegt daran, dass meine Mutter überall Blumen, Bildchen und Nippes hinstellt. Einen Platz für ihr Klavier hat sie auch noch gefunden. Auf dem Klavier steht golden eingerahmt ein Foto von Onkel Heinrich, ihrem Bruder. Vor zwei Jahren kam er ums Leben. Immer wenn ich samstags unsere gute Stube abstaube und die Teppichfransen kämme, putze ich den Rahmen besonders gründlich, bis er glänzt.
    Oben unter dem Dach sind die Schlafzimmer. Sie sind klein, aber Hans und ich haben immerhin jeder ein eigenes Zimmer, und das hat von meinen Freundinnen kaum eine. Unter der Dachschräge steht mein Bett. Durch die geblümte Tagesdecke ist in meinem Zimmer immer Sommer. Erst recht, wenn durch das Fenster die Sonne hereinscheint. An der Stirnwand steht mein dunkelbrauner Kleiderschrank. Eine Tür hängt schief, lässt sich nicht mehr ganz schließen. Neben den Schrank habe ich meinen Puppenwagen gequetscht. Meine Puppe Mona liegt darin und mein Teddybär Brumm, dem der linke Arm fehlt. Auch wenn ich schon lange nicht mehr damit spiele – davon trennen mag ich mich nicht.
    Ich habe sogar einen Schreibtisch und muss nicht wie einige meiner Freundinnen meine Hausaufgaben am Küchentisch machen.
    Am meisten aber liebe ich unseren Garten, der direkt an der Promenade liegt. Vor dem Krieg war Mutter sehr stolz auf die Blumenpracht. Jetzt wachsen nur noch wenige Stauden am Zaun. Wegen der Lebensmittelknappheit wird jeder Quadratmeter für den Anbau von Kartoffeln, Beeren, Obst und Gemüse genutzt. In allen Gärten sieht es jetzt so aus.
    Außerdem hat das Häuschen einen Luftschutzkeller. Mein Vater hat ihn zusammen mit Schreiner Heitkamp hergerichtet. Zusätzliche Balken stützen die Decke, und die Kellerfenster sind zugemauert. Die Einrichtung beschränkt sich auf das Notwendigste. Wir haben zwei Feldbetten, einen Tisch und Stühle. Links neben der Kellertür steht ein Regal mit Lebensmitteln für zwei Tage, den Gasmasken und mit einem Eimer Sand zum Löschen. In einem Koffer verwahren wir das Wichtigste: Lebensmittelkarten, Kleiderkarten, Mamas Schmuck, Bargeld und unsere Ausweispapiere. Die Deckenlampe gibt ein schwaches Licht, ist aber hell genug, um lesen zu können. Hans hat sein Quartettspiel
Waffen der Wehrmacht
ins Regal gelegt, denn manchmal verbringen wir längere Zeit hier. Ich spiele lieber das Brettspiel
Flieger-Alarm
und hoffe immer, dass einer von uns auf Feld 100 gelangt, denn dann ist zumindest im Spiel der Alarm vorbei.
    Mein Vater hat uns versichert, dass später, nach der gewonnenen Schlacht um England, die Bombenangriffe aufhören werden. In der letzten Zeit vergeht kaum eine Nacht ohne Fliegeralarm, aber nicht jeder Alarm bedeutet, dass die Stadt angegriffen wird. Manchmal fliegen die Flugzeuge auch nur über uns hinweg, ohne Bomben abzuwerfen.
    Es ist beruhigend, dass wir uns in unseren Keller verkriechen können und nicht zu einem der Bunker laufen müssen. Denn dort herrscht dichtes Gedränge und Geschiebe, und wenn der Luftschutzwart die Tür schließt, fühlt man sich wie in einem Gefängnis. Es riecht immer muffig und feucht. Manchmal schreien Menschen in Panik, wenn Bomben einschlagen und die Wände wackeln. In unserem Keller haben wir natürlich auch Angst. Wenn die Wände vibrieren und feiner Staub von der Decke rieselt, kann einem ganz schön mulmig werden. Aber wir sind zusammen. Mama legt schützend ihre Arme um uns, und Papas ruhiger Blick und seine Gelassenheit nehmen uns etwas von der Furcht. Wenn es ganz schlimm kommt und Hans seinen Kopf in Mamas Schoß versteckt, sagt Papa auch nichts. Obwohl er Angst und Feigheit eigentlich nicht mag, vor allem nicht bei einem Jungen.
    »Bald werden wir in ein größeres Haus umziehen.« Vater hat mir das vor kurzem bei einem unserer
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