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Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Titel: Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel
Autoren: Elisabeth Zöller
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Mathilda auf einmal, lacht und fällt in einen schnelleren Galopp. Ich bin zwar noch nicht ganz so sicher auf dem Pferd, aber so einen kleinen Galopp, den schaffe ich schon. Ich spüre Mozarts Kraft unter mir. Er drängt, er fliegt nur so dahin, kein Stocken, kein Zögern! Wir jagen gemeinsam über den Weg, vorbei an abgeernteten goldenen Stoppelfeldern. Rechts von uns glitzert die Werse in der Nachmittagssonne. Der Himmel wölbt sich strahlend blau über uns. Alles scheint möglich!
    Wir erreichen das Wäldchen, zügeln die Pferde, und in einem gemütlichen Schritttempo reiten wir am Waldrand entlang. Von oben sehe ich Mozarts glänzendes tiefbraunes Fell, und ich bin stolz, ihn reiten zu dürfen. Mozart und Astra sind die besten Pferde in Bernings Stall. Ich schaue Mathilda von der Seite an. Sie sieht auf einmal so ernst aus.
    »Ist etwas passiert, Mathilda?«
    In ihren Augen liegt tiefe Traurigkeit. Sie will etwas sagen. Doch plötzlich lenkt sie ein: »Ach, nichts. Nein, es ist wirklich nichts.« Sie versucht wieder ein Lächeln.
    »Mathilda«, dränge ich, »wir wollten uns alles erzählen.«
    »Wollten wir das?«, fragt sie. »Auch das, was keiner wissen darf?« Ein Hauch von Bitterkeit liegt in ihren Worten.
    »Manchmal verstehe ich dich nicht, Mathilda. Es ist so traumhaft hier. Du sitzt auf dem edelsten Pferd der Stadt, die Sonne, die Werse. Anstatt das alles zu genießen, bist du bedrückt. Ich sehe doch, dass etwas los ist.«
    Mathilda antwortet nicht. Sie tätschelt Astras Hals und reitet im leichten Trab vor mir her. Ich hole sie ein.
    »Komm, Mathilda, sei jetzt nicht traurig. Lass uns um die Wette reiten. So ein richtiger Spurt, der hilft garantiert gegen Weltschmerz. Wer zuerst am Bootshaus der Rosenbergs ist.« Ohne eine Antwort abzuwarten, gebe ich Mozart die Sporen. Ich traue mich und fühle mich sicher im Sattel. Aber Mathilda hat mit Astra einfach das bessere Pferd, und aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie heranfliegt und mich lachend und mit wehenden Locken überholt. »Juchhu!«, ruft sie. »So soll es immer bleiben!«
    »Ja«, rufe ich ein wenig außer Atem, »so soll es bleiben!«
    Am Bootshaus springen wir von den Pferden, setzen uns auf den Steg. Unter unseren Füßen fließt ruhig und gemächlich die Werse. Das Ufer ist schilfbewachsen, Mückenschwärme tanzen in der Sonne, und ein Fisch springt und taucht wieder in die Fluten. Am anderen Ufer neigen sich Linden, Buchen und Eichen zum Wasser.
    Ohne mich anzusehen, sagt Mathilda leise: »Ich bin so froh, dass du meine Freundin bist.«
    Wir bleiben eine Weile auf dem Steg sitzen, bis Mathilda sagt: »Komm, es wird spät.« Wir reiten nebeneinanderher, bis der Weg schmaler wird und ich mit Mozart hinter Astra und Mathilda zurückbleibe.
    Vor dem Stall unterhält sich Herr Berning mit einem Hofarbeiter. Er winkt uns zu und kommt mit leicht hinkendem Gang näher. Seine Kriegsverletzung macht ihm zu schaffen. Ich mag Herrn Berning sehr. Er ist aufmerksam und gleichzeitig zurückhaltend. Er behandelt uns wie junge Damen, hilft uns beim Absteigen und hält die Pferde am Halfter.
    »Schön, dass ihr beide mal wieder zusammen hier seid. Mathilda, du weißt, dass du zu jeder Zeit Astra oder Mozart reiten darfst. Mein Wort darauf.«
    Ich glaube, ich habe mich verhört.
Du darfst?
Das sind doch nicht Herrn Bernings Pferde. Warum sollte Mathilda um Erlaubnis bitten müssen? Ich schaue sie überrascht an. Aber sie sieht weg und beginnt mit dem Fuß Figuren in den Sandboden zu kratzen.
    »Was bedeutet das, Mathilda? Das sind doch eure Pferde. Oder?«
    Herr Berning ist sichtlich erschrocken. Er greift sich mit der Hand ans linke Ohrläppchen und wiegt verlegen den Kopf hin und her. »Oh! Ich dachte, deine Freundin wüsste Bescheid. Ich konnte ja nicht ahnen … Wie dumm von mir.«
    »Schon gut, Herr Berning.« Mathilda betrachtet ihre staubigen Stiefelspitzen und malt jetzt Kreise.
    »Ich glaube, ich lass euch mal alleine.« Herr Berning stößt seine Hände fast bis zum Ellenbogen in die ausgebeulten Taschen seiner beigen Jacke, wendet sich um und geht langsam, ohne sich umzudrehen, in Richtung Wohnhaus. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin völlig verwirrt.
    »Nun sag schon, Mathilda!«, dränge ich
    »Vater hat die Pferde an Berning verkauft«, antwortet sie knapp.
    »Was? Auch Astra? Sie ist doch der ganze Stolz deiner Mutter! Wieso verkauft ihr sie? Braucht ihr Geld? Seid ihr auf einmal arm? Bist du deshalb so traurig?«
    »Arm? Ich weiß
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