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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland
Autoren: Robert Harris
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Sie zum Wagen, und steigen Sie ein. Wir haben jetzt keine Zeit mehr. Ich zähle bis zehn, dann schreie ich.«
    »Lassen Sie uns nicht im Stich, März.« Nebe kniff ihn in die Wange. »Ihr Onkel ist ein alter Mann, aber er hofft, noch lange genug z u leben, um diese Schweine hängen zu sehen. Gehen Sie. Bringen Sie die Papiere raus. Veröffen t lichen Sie sie. Wir setzen alles aufs Spiel,
    um Ihnen eine Chance zu geben. Ergreifen Sie sie. G e hen Sie.«
    Krebs sagte: »Ich zähle: eins ... zwei ... drei...«
    März zögerte, begann zu gehen, verfiel dann in einen Trab. Die Wagentür öffnete sich. Er sah zurück. Nebe war schon in der Dunkelhei t verschwunden. Krebs hatte die Hände um den Mund gewölbt und begann zu schreien.
    März wandte sich um und kämpfte sich auf den warte n den Wagen zu, als eine vertraute Stimme rief: »Xavi! X a vi!«

TEIL VII
    FÜHRERS GEBURTSTAG
    Die Bahn nach Krakau führt nordöstlich weiter über (348 km von Wien) Auschwitz, 
    eine Industriestadt von 12000 Einwohnern, ehemals Hauptort der Piastenherzo g tümer Auschwitz 
    und Zator (Hotel Zator, 20 B.), von wo eine Nebenbahn über Skawina (49 km) nach Krakau führt (69 km in 3 St.) ...
    BAEDEKER Das Generalgouvernement 1943

EINS
    Mitternächtliches Glockenläuten klang auf, um den Tag zu begrüßen. Fahrer brausten vorüber, die mit ihren Schei n werfern blinkten und auf ihre Hupen hämmerten, und ve r schmierte Töne über der Straße hinter sich hängen li e ßen. Fabriksirenen riefen einander quer über Berlin zu, wie st e hende Züge. »Mein lieber alter Freund, was haben die bloß mit dir gemacht?«
    Max Jäger versuchte, sich aufs Fahren zu konzentrieren, doch alle paar Sekunden drehte sich sein Kopf in entsetzter Faszination zum Beifahrersitz um.
    Er wiederholte immer wieder. »Was haben die bloß mit dir gemacht?«
    März war benommen und unsicher, was Traum und was Wirklichkeit sei. Er hatte den Kopf halb gewendet und starrte aus dem Rückfenster. »Wohin fahren wir, Max?« »Das weiß Gott allein. Wo willst du denn hin?«
    Die Straße hinter ihnen war sauber. März blickte sich sorgfältig um, um Jäger anzusehen. »Hat Nebe dir das nicht gesagt?« »Nebe hat gesagt, du würdest es mir sagen.«
    März sah zur Seite, auf die Gebäude, die vorüberglitten. Er sah sie nicht. Er dachte an Charlie in ihrem Hotelzi m mer in Waldshut. Wach, allein, auf ihn wartend. Es waren noch immer mehr als 8 Stunden übrig. Er und Max würden die Autobahnen praktisch für sich allein haben. Vermutlich könnten sie es schaffen.
    »Ich war am Markt«, sagte Jäger gerade. »Das war g e gen 9. Das Telefon klingelt. Onkel Artur. >Sturmbannfü h rer! Ein wie guter Freund ist Xaver März?< >Es gibt nichts, was ich nicht für ihn tun würde<, sage ich - inzw i schen hatte es sich herumgesprochen, wo du warst. Er sagt, ganz ruhig. >Na schön, Sturmbannführer, wir werden ja sehen, ein wie guter Freund Sie sind. Kreuzberg. Ecke Axmann-Weg, nördlich der aufgelassenen Kirche. Warten Sie da von Viertel vor bis Viertel nach Mitternacht. Und zu niemandem ein Wort, sonst stecken Sie morgen früh im KZ.< Das war's. Dann hat er aufgelegt.«
    Auf Jägers Stirn lag ein Schweißglanz. Er blickte von der Straße zu März und zurück. »Verdammte Scheiße, X a vi. Ich weiß nicht, was ich mache. Ich hab Angst. Ich fahr nach Süden. Ist das in Ordnung?« »Du machst das schon richtig.« »Freust du dich nicht, mich zu sehen?« fragte J ä ger. »Ich freu mich sehr.«
    März fühlte sich wieder schwach. Er verdrehte seinen Körper und kurbelte das Fenster mit der linken Hand h e runter. Über dem Sausen von Wind und Reifen: ein G e räusch. Was war das? Er steckte den Kopf hinaus und sah nach oben. Er konnte es nicht sehen, aber er konnte es über sich hören. Das Knattern eines Hubschraubers. Er schloß das Fenster.
    Er erinnerte sich an den Telefonmitschnitt: »Was ich will? Was glauben Sie denn, was ich will?Asyl in Ihrem Land... « Die Skalen und Anzeiger des Wagens schimme r ten in der Dunkelheit in sanftem Grün. Die Polsterungen rochen nach frischem Leder. Er sagte: »Wo hast du den W a gen her, Max?« Es war ein Mercedes: das neueste M o dell.
    »Aus dem Fuhrpark am Werderschen Markt. Schön, was? Der Tank ist voll. Wir können hin, wohin du willst. Überall hin.« Da begann März zu lachen. Nicht sehr laut und nicht sehr lange, denn seine schmerzenden Rippen zwangen ihn bald, aufzuhören. »O Max, Max«, sagte er. »Nebe und Krebs sind so gute Lügner, und
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