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Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition)
Autoren: Siegfried Langer
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recht, was er mit dem Holzstab anfangen sollte.
    »Lass ihn einfach fallen.«
    »Aber Mama sagt, man darf nichts auf den Boden werfen.«
    »Das geht schon in Ordnung, lass ihn einfach fallen.«
    Lukas gehorchte.
    Nach wenigen Minuten war es so weit. Sie stiegen in einen Waggon, der so aussah, als transportiere er normalerweise Kohlen. Aber natürlich waren Sitze in die Lore eingebaut.
    Die Fahrt selbst glich einer Tour durch ein von Geistern bewohntes Bergwerk. Gespenster, lebende Tote, Spinnweben, Schock- und Splattereffekte. Für Jacqueline war eine Geisterbahn wie die andere, alles billig und durchschaubar. Lukas’ Mimik zeigte jedoch ein Wechselspiel von Vergnügen und wohligem Gruseln.
    Dennoch wollte er kein zweites Mal fahren.
    Erneut fragte er nach seinem Vater. Rasch machte Jacqueline ihn auf ein Rondell aufmerksam, in dem Pony-Reiten angeboten wurde.
    »Dafür bin ich doch schon viel zu groß«, sagte er entrüstet.
    Dennoch schritt er hinüber und beobachtete eine Zeitlang die hintereinander geführten Ponys mit den Kleinkindern auf ihren Rücken.
    Jacqueline hielt sich ihr Handy ans Ohr und simulierte ein Telefonat.
    »René? – Ja, ich bin’s, Jacqueline! – Wie? Es geht nicht? – Dir ist ein Termin dazwischengekommen? – Das ist aber schade! – Ja, Lukas hat eine Menge Spaß hier.«
    Lukas drehte sich um und rief ihr ein langes ›Jaaa‹ zu.
    »Verstehe. Ist es denn in Ordnung, wenn ich ihn mit zu mir nach Hause nehme? – Nein, das macht keine Probleme. Das tue ich doch gern für dich. – In Ordnung. – Ja, bis dann. Tschüs.«
    »Was ist denn los?«, fragte Lukas.
    Jacqueline ging in die Knie, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein.
    Mit ihren Händen griff sie nach Lukas’ Oberarmen, hielt ihn fest und sah ihn ernst an.
    »Du musst jetzt sehr tapfer sein. Ich habe eine schlechte und eine gute Nachricht für dich, Lukas.«
    Lukas blickte sie fragend an.
    »Dein Papa kommt nicht mehr. Tut mir leid. Er und deine Mama haben sich gestritten und er möchte nicht, dass du zwischen die Fronten gerätst. Das kann gefährlich sein, weißt du.«
    Lukas’ zaghaftes Nicken zeugte nicht davon, dass er begriff, was sie ihm erzählte. Dennoch fuhr sie fort.
    »Die gute Nachricht ist: Du darfst heute bei mir zu Hause übernachten.«
    Jacqueline sah dem Jungen an, dass er sich unschlüssig war, ob er sich freuen oder wundern sollte.
    »Aber ich habe gar keinen Schlafanzug dabei, und keine Zahnbürste«, sagte er schließlich.
    »Ach, Schlafanzüge in deiner Größe habe ich zur Genüge und das Zähneputzen darfst du ruhig einmal ausfallen lassen.«
    »Aber Mama sagt, ich soll jeden Abend …«
    »Mama, Mama, Mama«, unterbrach sie ihn scharf und Lukas zuckte zusammen. »Du musst nicht auf alles hören, was sie sagt. Wirst sonst noch ein richtiges Mamasöhnchen.«
    Jacqueline ärgerte sich, dass sie die Beherrschung verloren und Lukas Angst gemacht hatte. Allerdings schwieg er nun endlich.
    »Komm«, sie stand auf und nahm ihn bei der Hand, »hier gibt es noch eine Menge Abenteuer zu erleben.«
    Lukas ließ sich führen.
    Er schien ihr nun etwas bedrückt. Das besserte sich erst wieder, als sie ihm an einem Stand ein Indianerset kaufte.
    Im fernen China hatten Arbeiter den Federschmuck eines Häuptlings, einen Tomahawk und eine Friedenspfeife eingeschweißt, Verpackung und Inhalt aus Kunststoff.
    Lukas riss die Plastikfolie auf und stülpte sich sofort die Häuptlingsfedern auf den Kopf, die Enden baumelten ihm bis zu den Schultern. Den Tomahawk steckte er sich in den Hosenbund, danach führte er sich die Pfeife an die Lippen und paffte.
    Als Lukas bemerkte, dass Jacqueline sich eine Zigarette ansteckte, nahm er die Friedenspfeife wieder aus dem Mund. Er blickte sie skeptisch an.
    »Mama sagt, dass Rauchen …«
    Jacqueline spürte, wie ihre Hand kribbelte, und unterbrach ihn rüde: »Es ist mir egal, was deine Mama sagt.«
    Vor Schreck glitt Lukas die Friedenspfeife aus den Fingern und fiel zu Boden. Keiner der beiden bemerkte es.
    Sie passierten einen der Ausgänge des Volksfestes.
    »Ich will nach Hause«, quengelte Lukas.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass das nicht geht. Deine Eltern streiten sich.«
    »Warum streiten sie denn?«
    Lukas blieb stehen, Jacqueline nahm ihn an der Hand und zerrte ihn zur Bushaltestelle.
    »Das weiß ich nicht. Aber ich glaube, sie werden sich trennen.«
    »Trennen?«
    »Ja, ich vermute, dass deine Mutter ausziehen wird.«
    Lukas kämpfte mit den Tränen.
    »Was?«
    Die
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