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Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition)
Autoren: Siegfried Langer
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werden.«
    Der kniende Thorsten reichte ihr bis zur Hüfte, ebenso der stehende Lukas. Sie war nun das Familienoberhaupt und würde sich fortan um alles kümmern.
    »Solange wir zusammenbleiben und uns lieben, kann uns nichts geschehen.«
    Sie streichelte Thorsten über den Kopf und dachte dabei an René.
    Ihr Blick fiel auf die mit einer Harpune bewaffnete SpongeBob-Figur, die lieblos auf dem Boden lag.
    »Du musst noch aussuchen, was du von deinem Spielzeug mitnehmen möchtest«, sagte sie.
    Lukas blickte ängstlich zu ihr hoch und sie deutete auf die Kunststofffigur.
    »Hol den kleinen roten Koffer, der unter deinem Bett liegt, und pack alles hinein, was dir wichtig ist.«
    Sie schob Lukas von sich. Er hob die SpongeBob-Figur auf, ging in den Flur und sah sich hilflos um.
    »Die Tür, an der der Hampelmann hängt.«
    Lukas verschwand in Robins Kinderzimmer.
    »Wir müssen hier weg«, wandte sie sich an Thorsten.
    Thorsten sah zu ihr auf, seine Züge verwandelten sich in die von René. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass er nicht begriff, worauf Jacqueline hinauswollte.
    »Weil die Alte aus dem Erdgeschoss uns gesehen hat«, sagte sie. »Sie hat Fragen gestellt.«
    »Wo sollen wir hin?«
    »Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall müssen wir von hier weg.«
    Hatte Thorsten früher aus Prinzip allem widersprochen, was von seiner Frau ausging, so schien er nun jegliche Streitlust verloren zu haben. Ohne zu diskutieren, ergab er sich ihrer Initiative und folgte ihrem Plan.
    Er wischte sich die Augen trocken und überlegte angestrengt.
    »Rangsdorf«, kam er zu einem Ergebnis.
    »Was meinst du?«
    »Du kennst doch Willi?«
    Jacqueline dachte an den rotnasigen Kumpel, mit dem Thorsten am einen Tag dick befreundet war, während er am nächsten wie ein Rohrspatz über ihn schimpfte. So ging es seit Jahren.
    »Klar kenne ich Willi«, sagte sie abfällig.
    »Seine Mutter ist vor vierzehn Tagen gestorben.«
    »Und?«
    »Sie wohnte in Rangsdorf.«
    »Allein?«
    »Ja, das Haus steht leer. Willi hat gesagt, dass es bereits verkauft ist, aber der Käufer zieht erst in ein oder zwei Monaten ein. Er hat gefragt, ob ich ihm nächste Woche beim Entrümpeln helfe. Es sind noch alle Möbel drin.«
    »Das hört sich so an, als könnte es klappen.«
    Während Thorsten nickte, oszillierten seine Gesichtszüge zwischen seinen eigenen und denen Renés. Sie zog ihn auf die Füße.
    »Weißt du die Adresse?«
    »Nein, aber ich war vor ungefähr zwei Jahren mal dort. Wir hatten Willis Mutter etwas vorbeigebracht. Ich glaube schon, dass ich das Haus wiederfinden kann. Wir müssen nicht weit laufen. Es steht gleich in der Nähe des Bahnhofs.«
    »Dann sollten wir keine Zeit mehr verlieren.«
    Thorsten ging in Richtung des Kinderzimmers.
    »Ich sage Robin, dass er sich beeilen soll.«

34. Kapitel
    Ein Tag vor der Katharsis;
nachts
     
    I nduzierter Wahn?‹ las Manthey auf dem Notizzettel Rakowskis.
    Er kannte den Begriff, denn er war dieser Form der psychischen Störung bereits in einem früheren Fall begegnet.
    Auf einem abgelegenen Bauernhof in der Nähe von Caputh war vorletzten Herbst ein Familienvater, keine fünfzig Jahre alt, an einem Herzinfarkt verstorben. Im ehelichen Bett war das Unglück passiert, und im ehelichen Bett sollte der Tote auch die nächsten drei Wochen liegen.
    Da er arbeitslos war und kaum soziale Kontakte hatte, vermisste ihn niemand. Seine Ehefrau führte ihren Alltag weiter, als lebe ihr Mann noch. Sie schlief sogar an seiner Seite.
    Die dreizehnjährige Tochter der beiden übernahm die Wahnvorstellungen. Um ihre Mutter vor der Realität zu schützen, driftete sie selbst in die Phantasiewelt ab, in der der Familienvater Haus und Leben mit ihnen teilte. Letztendlich waren beide überzeugt, dass alles seinen gewohnten Verlauf nahm.
    Verhaltensauffälligkeiten der Tochter in der Schule führten dazu, dass die Lehrer hellhörig wurden und die Polizei informierten.
    Als Manthey den Familienvater aufgefunden hatte, war der Verwesungsprozess bereits in vollem Gange gewesen.
    Mittlerweile erzählte Jacqueline davon, wie sie Kleidung in ihren Koffer gepackt hatte.
    Anders als Rakowski hatte Manthey sich ›Rangsdorf‹ notiert. Langsam kroch die Ungeduld in ihm hoch. Es machte ihn zunehmend wütender, hier sitzen und zuhören zu müssen.
    Er wollte raus, aktiv werden; er musste den Jungen finden.
    Sein Oberschenkel zuckte nervös.
    Detailliert beschrieb Jacqueline, wie sie vor allem die wenigen hübschen und teuren Sachen
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