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Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Titel: Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)
Autoren: Steffen Duck
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Igelfrisur und hochrotem Kopf, der auf einer zwei Nummern zu kleinen Uniformjacke steckte, mit Namen und Dienstgrad vorgestellt hatte, begann er auch schon gegen die gammligen Jugendlichen zu wettern, die, nur um zu provozieren, zur Musterung mit langen Haaren erschienen, in abgewetzten Jeansklamotten und Kettchen mit goldenem Kreuz.
    Wilfried drängte sich der Gedanke auf, daß es wohl tatsächlich möglich sein mußte, mit dem Kreuz böse Mächte zu bannen - der Werbeoffizier lieferte unfreiwillig den Beweis dafür.
    Je länger die Haßtiraden des Offiziers währten, um so mehr verfärbte sich sein Gesicht ins dunkelrote mit einer Nuance lila.
    Um sich seiner Ausführungen zu vergewissern, blickte er abwechselnd nach rechts und links, wo seine rangniederen Begleiter vom „Mando“ saßen, in ergebener Körperhaltung, die Angst und Faszination zugleich ausdrückte.
    Dazu drehte er stets den ganzen Körper in die jeweilige Blickrichtung.
    Wilfried überlegte, daß er offensichtlich gar keinen Hals besaß, an dem man ihn hätte aufhängen können, so wie in einem Comic von Wilhelm Busch.
    Konnte man die Bildergeschichten von Wilhelm Busch überhaupt „Comic“ nennen? Jedenfalls hätte der Zeichner an diesem Typen seine helle Freude gehabt.
    Wahrscheinlich hätte er gar nicht den Versuch unternommen, ihn aufzuhängen, sondern ihm gleich den Schädel explodieren lassen. Zuvor wären ihm die Uniformknöpfe einzeln von der Jacke gesprungen in Richtung unaufmerksamer Zuhörer, am besten ins Auge.
    Dazu die Schüttelreime:
    -
    „Major Moltke mocht´ am Morgen
    noch nichts hör´n von seinen Sorgen,
    aber spätestens um zehn
    würden sie wohl nach ihm seh´n:
    -
    Haben Sie schon ihre Pflicht
    heut´ erfüllt, Sie mieser Wicht,
    anzuwerben junge Männer,
    statt dessen bringen Sie nur Penner!
    Zugrundegehen wird der Staat,
    der keinerlei Armee nicht hat!“
    -
    Wilfried fing schon an zu glauben, in der sozialistischen Hölle gelandet zu sein, im Kreis, nein, in der Abteilung „Die endlose Rede“, da bot der Referent auf einmal das Bild eines Ballons, aus dem man die Luft herausgelassen hatte.
    Kein Zweifel, er hatte tatsächlich aufgehört. Die Zuhörerschaft stieß einen kollektiven Seufzer der Erleichterung aus.
    Aber man kannte die Dramaturgie. Nun würden die üblichen Lobhudeleien folgen. Hoffentlich würde sich zum Schluß auf die obligatorische Formel „Gibt es noch Fragen?“ niemand melden. Die Chancen für ausbleibende spontane Fragen standen eigentlich so schlecht nicht, doch war es gerade bei diesen Veranstaltungen üblich, daß jemand vorher abgesprochene Fragen stellte, um die Fassade eines Interesses im Auditorium zu wahren.
    Zwei Schüler, die sich bereits für eine Offizierslaufbahn verpflichtet hatten und allein aus diesem Grunde die EOS besuchen durften, nicht etwa wegen ihrer Zensuren, die trotz maximal möglicher Hebung allenfalls mäßig waren, leierten die üblichen Phrasen ab.
    Dann aber trat ein Schüler vor das Auditorium, der dem vom Werbeoffizier beschriebenen Wunschbild in jeder Hinsicht zu entsprechen schien:
    Groß, blond, muskulös, militärisch kurzer Haarschnitt, zackiges Auftreten. „… zäh wie Leder, hart wie Maxhütte - Stahl!“ schoß es Wilfried durch den Kopf.
    „Als ich in die achte Klasse kam, da wollte ich Förster werden - im Wald Tiere totschießen!
Dann machte mir mein Onkel, der Berufsoffizier bei der NVA ist, den Vorschlag, ich solle doch Offizier werden, so wie er. Es gab dann noch einige Diskussionen mit meinem Vater. Ich habe mich verpflichtet, als Offizier bei den Streitkräften zu dienen. Je stärker der Sozialismus, desto sicherer der Frieden! Freundschaft!“

    Auf dem Podium klatschte man auffordernd. Zögerlich fiel das Auditorium ein.
    Einen Moment lang war Wilfried sprachlos. Vor Fanatikern mußte man sich unbedingt in Acht nehmen, soviel war klar. Daß es solche in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, die für die Ewigkeit gefestigt zu sein schien, überhaupt noch gab! In den Anfangsjahren war es sicher notwendig gewesen, sich auf solche Typen zu stützen, aber nun?
    Weshalb hatte der Mechanismus zweier Meinungen, der offiziellen und der privaten, der sich in den Köpfen der Glieder der entwickelten sozialistischen Gesellschaft gebildet hatte, notwendigerweise, bei diesem BOB (Berufsoffiziersbewerber) nicht gegriffen?
    „Prima Sache, vom potentiellen Tiermörder zum Menschenmörder,“ fiel Wilfried jetzt ein, und: „Wenn ich das Tier wäre,
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