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Vampyr

Vampyr

Titel: Vampyr
Autoren: Brigitte Melzer
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gar nicht zu Hilfe kommen konnte?
    »Versuch es nicht.« Die Worte ihres Vaters rissen Catherines Blick von Martáinn. »Ich weiß, dass du in mir das Böse siehst, Catherine. Doch nicht immer sind …« Er brach ab und schüttelte den Kopf. Ein Anflug von Bedauern huschte über seine Züge. »Zwecklos, es dir zu erklären. Du bist nicht bereit mir zuzuhören. Ich werde es dir zeigen.«
    Er bewegte sich so plötzlich, dass Catherine erschrocken zusammenzuckte. Mit einem Ruck riss er Martáinn das Hemd vom Leib. Kerzenlicht fing sich in dem goldenen Medaillon, das sie ihm hatte geben müssen. Die Kette war zur Seite gerutscht, sodass der Anhänger jetzt über seiner Schulter auf dem Stein ruhte. Doch es war nicht das einzige Schmuckstück, das seinen Körper zierte. Da war noch das Amulett seiner Mutter. Catherines Augen folgten dem vertrauten Lederband zu Martáinns nackter Brust, wo sie nun zum ersten Mal das Schmuckstück erblickte, das er all die Jahre eifersüchtig gehütet hatte.
    Das kann nicht sein! Eine kreisrunde Scheibe ruhte auf Martáinns schweißglänzender Brust. Es war unmöglich, zu sagen, woraus sie gemacht war, es schien jedoch weder aus Metall noch aus Holz zu sein. Leben durchpulste sie, als loderten Flammen unter der Oberfläche. Dann sah Catherine die Zacken, die wie eine nadelspitze Zahnreihe aus der Unterseite ragten und sich in Martáinns Brust gruben. Erfüllt von einer ständigen Bewegung verschmolz das Amulett mehr und mehr mit Martáinns Fleisch, sank tiefer darin ein, bis es eins mit ihm wurde. Das Lederband, das das Amulett um seinen Hals gehalten hatte, löste sich und fiel von ihm ab, während die Haut weiter über die rot pochende Scheibe wuchs, bis sie sich wie ein Relief darunter abzeichnete.
    Entsetzen schnürte Catherine die Kehle zu. »Mein Gott! Was hast du ihm angetan!«, keuchte sie. »Genügt es dir nicht, uns alle zu töten? Bereitet es dir Vergnügen, zu sehen, wie wir leiden?«
    Die Miene ihres Vaters zeigte keine Regung. »Nicht ich habe ihm das angetan. Das ist Bruce’ Werk.«
    »Lügner!«, entfuhr es ihr. »Bruce hätte nie –«
    »Was hätte er nie? Seinen Sohn in das da verwandelt?« Seine Klaue zeigte auf Martáinn, in dessen Züge das Leben zurückzukehren schien. Womöglich war es aber auch nur der flackernde Kerzenschein oder ihr Schrecken, der ihr vorgaukelte, der milchige Schimmer wäre aus seinen Augen gewichen.
    »Was willst du mir da sagen? Dass Bruce wie du aus seinem Grab zurückgekehrt ist, um seinem Sohn das anzutun?« Sie hatte sich nicht gerirrt. Seine Augen waren nicht länger tot, bewegten sich. Das gab ihr die Kraft und den Mut, fortzufahren. Alles würde gut werden, wenn sie ihren Vater nur lange genug ablenken konnte, bis sie einen Weg fand, Martáinn zu befreien.
    »Du hältst Bruce noch immer für untadelig! Denkst du, er hat die Gefangenen aus purer Güte aus dem Kerker entlassen? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viele von ihnen den Tod in den Wäldern fanden? Bruce hat sie alle …«
    Martáinn stöhnte. Blinzelnd wandte er den Kopf. Seine Hände reckten sich ihr entgegen, so weit die Fesseln es zuließen. »Catherine«, ächzte er.
    Sie machte einen Schritt auf ihn zu. Ihr Vater, der sich bisher nicht vom Altar fortbewegt hatte, stellte sich ihr in den Weg und nahm ihr damit die Sicht auf Martáinn. »Du bist noch immer schwach. Du brauchst Nahrung.«
    Seine Worte erinnerten Catherine an etwas, was sie seit Stunden in sich trug. Einmal mehr verspürte sie den Hunger in sich. Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Ich kann dagegen ankämpfen. Das habe ich schon einmal getan. Immerhin hatte sie erst letzte Nacht Blut getrunken. So schnell konnte der Hunger nicht zurückkehren. Das wollte sie nicht zulassen! Dennoch hatten die Worte etwas in ihr geweckt, was sich nicht mehr beiseite schieben ließ.
    Ihr Vater packte sie. Seine Finger gruben sich in ihr Handgelenk und zogen sie näher heran. Noch immer stand er zwischen ihr und Martáinn. »Mein Ritual hat ihn wehrlos gemacht. Nimm mein Geschenk an. MacKay wird ohnehin sterben.«
    Ich muss an ihm vorbei! Sie dachte daran, den Silberdolch zu zücken und anzugreifen. Doch der Gedanke, zu scheitern und dann zusehen zu müssen, wie ihr Vater Martáinn womöglich aus purem Zorn tötete, hielt sie zurück.
    »Du brauchst das Blut«, sagte er eindringlich.
    »Nein!« Ich bin stark! Stärker als gestern! Du kannst mich nicht zwingen! Doch was, wenn sie so tat, als könnte sie sich nicht länger
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