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Vampyr

Vampyr

Titel: Vampyr
Autoren: Brigitte Melzer
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hätte sie retten können, wenn ich sie nicht gezwungen hätte mein Blut zu trinken!
    »Ich werde dich nicht verlieren«, hauchte sie an seinen Lippen. Trotz seines Entsetzens gab sich Daeron ihrem Kuss hin. Er spürte ihre Lippen auf seinen, das sanfte Drängen ihrer Zunge. Dann gruben sich ihre Zähne in seine Unterlippe. Ein eisiger Schauder ergriff ihn und ließ sein Herz gefrieren. So sollte es nicht enden! Aber wie dann? Sollte er einfach hier liegen und auf den Tod warten? Er fühlte noch immer den Druck ihrer Zähne. Doch da war auch noch die verführerische Berührung ihrer Lippen. Daeron konnte sich ihrem Kuss nicht länger entziehen. Er wollte es nicht mehr. Trotz der Schwäche, die seinen Körper mehr und mehr in Besitz nahm, zog er Catherine an sich. Mit wachsender Erregung erwiderte er ihren blutigen Kuss. Langsam saugte sie das verbliebene Leben aus seinem Leib.
    Noch immer von der Süße ihrer Lippen erfüllt entschwand sein Bewusstsein im Nebel. Da löste sie ihre Lippen von seinen. Es kostete Daeron unendlich viel Kraft, die Lider zu heben. Doch dann riss er die Augen vor Schreck weit auf, als er sah, wie Catherine sich mit ihren scharfen Zähnen die Zunge aufritzte, bis Blut hervorquoll.
    Ein Laut des Grauens kroch über seine Lippen. Dann versank er in Dunkelheit, bis sich noch einmal ihre Lippen warm auf die seinen legten. Ihr Blut rann in seinen Mund. Berauschend und unwiderstehlich. Daeron verlor sich in ihrem Kuss, der ihm ein Leben nahm, um ihm ein anderes zu schenken.
     

Dun Domhainn –
Schottische Highlands im Jahre 1727
     

 
     
     
     
     
     
    Durch Bruce MacKays Bann an den Rändern der Wirklichkeit gefangen konnte die Ushana weder gesehen werden noch in das Geschehen eingreifen, das sich vor ihren Augen abspielte.
    Ein junger Mann war der Erste, der die Ruinen von Dun Domhainn betrat. Die Ushana hätte dem Fremden keine Beachtung geschenkt, hätte sie nicht ihre eigene Kraft in ihm gespürt. Dann sah sie das Amulett um seinen Hals. Der alte MacKay hatte sie einst gezwungen, einen Teil ihrer Macht in das Schmuckstück zu binden. Der Junge war also gekommen, um seine Verwandlung zu vollenden.
    Dieser Narr.
    Die Ushana folgte ihm in die Opferkammer. Seine Vorbereitungen nährten ihre Hoffnung, sein Ritual könne den Unendlichen herbeirufen. Wenn er kam, würde er sie von ihren Fesseln befreien. Doch der Unendliche erschien nicht. Dafür kamen andere. Einer von ihnen war Roderick Bayne. Ein weiterer Mensch, der es nur darauf abgesehen hatte, sie zu knechten und ihre Macht für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Voller Befriedigung beobachtete die Ushana, wie Bayne und der junge MacKay in dem darauf folgenden Kampf den Tod fanden.
    Als es vorüber war, waren nur eine Frau und ein Krieger geblieben. Er lag im Sterben. Sie war dem Leben längst entrissen und zu einer Existenz verdammt, die weit schlimmer war als der Tod.
    Die Ushana war einst denselben Weg gegangen. Nachdem die Flammen ihren Leib längst verzehrt hatten, war sie noch immer nicht im Stande gewesen, loszulassen. Sie hatte geglaubt, der Unendliche würde sie erlösen. Stattdessen hatte sein Kuss sie mit dem Fluch eines Daseins in Einsamkeit belegt; von den Menschen gefürchtet und von ihm vergessen. Über Jahrhunderte bestimmten Blut, Schrecken und Wahnsinn ihr Sein. Die Ushana war mächtig und stark. Nichts hätte sich ihr in den Weg stellen dürfen. Dennoch hatte es ein einziger schwacher Mensch vermocht, sie hier gefangen zu setzen.
    Im Laufe der Zeit war der Wahnsinn von ihr gewichen und der brennende Wunsch nach Rache erkaltet. Seither sehnte sie sich nach dem Ende. Die Grenzen menschlichen Lebens lagen jedoch längst hinter ihr und mit ihnen die Hoffnung auf den Tod. Es war der Ushana nicht möglich, ihrer Existenz selbst ein Ende zu bereiten. Auch die Menschen würden sie nicht vernichten, wussten sie doch nicht einmal, dass sie noch immer hier war.
    Der durchdringende Geruch von Blut erfüllte jetzt die Luft. So intensiv und verlockend, dass es die Ushana danach verlangte, selbst ihre Zähne in den Leib des Kriegers zu schlagen. Sie würde sein Blut nehmen und sein Leiden beenden, doch sie war an einen Ort jenseits der Welt verbannt, an dem sie weder sein Blut kosten noch die junge Frau davor warnen konnte, demselben Irrglauben zu erliegen, dem auch die Ushana einst erlegen war.
    Zum ersten Mal seit beinahe zweihundert Jahren empfand die Ushana Mitleid. Zu genau wusste sie, was jetzt in der Frau vorging, die hoffte
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