Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vampirzorn

Vampirzorn

Titel: Vampirzorn
Autoren: Brian Lumley
Vom Netzwerk:
es nicht mehr als eine notdürftig ausgehobene Höhlung im Schnee, der sich neben einem Hügel am Fuß der Berge angehäuft hatte. Kinder mochten beim Spielen so etwas tun; aber er war kein Kind, und dies war kein Spiel. Das Dach bestand aus der harten, verkrusteten Außenschicht der Schneewehe, die mittlerweile von neuem, frisch gefallenem Schnee bedeckt wurde – eine fast perfekte Tarnung –, der Boden aus dem festgetretenen, während des Grabens vom Körpergewicht des Mannes zusammengepressten Schnee. Der Hohlraum war zweieinhalb Meter lang, einen Meter vierzig breit und knapp einen Meter tief. Nichts Dauerhaftes, aber trotzdem ein Bau. Die Höhle eines menschlichen Ungeheuers. Und das Ungeheuer hatte die Arbeit daran schon vor zehn Minuten beendet.
    Keine fünfzig Meter entfernt, gut zwanzig Meter den steilen Hang aufwärts, saß die Kreatur im Windschatten eines Felsvorsprungs und beobachtete witternd, mit geschärften Sinnen, was der Mann dort unten trieb. Sie wusste, was er getan und welche Vorkehrungen er getroffen hatte, immer noch traf. Aus durchdringenden, tierhaft gelben Augen, in deren Tiefen ein blutroter Schimmer lag und eine weit über das Bewusstsein eines wilden Tieres hinausgehende Intelligenz, blickte sie hinab auf den schneebedeckten Hügel, an dessen Fuß sich der Bau des Mannes befand, sah zu, wie das Schneetreiben die Spuren seines Tuns verdeckte und über alles eine gleichförmig weiße Decke breitete.
    Ihre Augen waren scharf; noch durch das Eisdach hindurch nahm sie schwach den rötlichen Schein einer Taschenlampe wahr und bekam mit, wie eine weitere Lampe eingeschaltet wurde, die den Bau in ein anheimelndes, blutfarbenes Licht tauchte. Schließlich wurde es still – nur der fremd-, so andersartige Geist der Kreatur ahnte noch, was der Mann in seinem Bau machte, wie er seine letzten Vorbereitungen traf. Und da war ihr klar, dass diese Bestie in Menschengestalt tatsächlich vorhatte, es zu Ende zu bringen.
    In gesenkter Haltung, mit der Brust durch den Schnee pflügend, eine lautlose, kleine Lawine vor sich her schiebend, schlich sie den Hang hinab. Wo der Untergrund uneben war, kroch sie auf allen vieren weiter, war die Schneeschicht zu dünn, schob sie sich auf Bauch und Pfoten vorwärts. An einem verwitterten, schneebedeckten Geröllsattel auf halber Höhe zwischen Hang und Hügel hielt sie inne, um sich hinzukauern und mit all ihren Sinnen zu lauschen. Sie befand sich keine zwanzig Meter mehr vom Bau des Mannes entfernt, nur noch sechs Meter über ihm.
    Ihre telepathischen Fähigkeiten waren noch nicht allzu weit entwickelt – kein Vergleich zum »Mentalismus« ihres Gebieters hoch im Norden in seinem Bau –, doch dafür beherrschte sie andere Künste. Zudem war ihr dieses menschliche Raubtier nicht unbekannt. Darum ließ sie ihre Sinne schweifen und versuchte, ihm über eine Distanz von zwei Dutzend Schritten eine Botschaft in den Geist zu pflanzen:
    Du wurdest gewarnt! Dir bleibt immer noch Zeit, dich danach zu richten. Was du jetzt tust, geschieht aus eigenem, freiem Willen, und die Folgen hast du dir selbst zuzuschreiben.
    Vielleicht erreichte ihn etwas davon. Jedenfalls stutzte der Mann und hörte mit einem Mal auf, die schon grotesk anstößigen Posen in dem Pornomagazin, in dem er blätterte, mit Stielaugen zu verschlingen. Indem er seine Bleistiftlampe ausknipste, neigte er nachdenklich den Kopf zur Seite und lauschte. Doch es gab nichts zu hören – höchstens in seinem Kopf, so etwas wie eine Erinnerung: Diese Frau ist nicht für dich bestimmt. Wenn du ihr folgst und sie dir nimmst, bringst du dich damit in höchste Gefahr!
    Nein, nicht so etwas wie eine Erinnerung, es war eine – nur woher, woran? An einen Gedanken, den er einmal gehabt hatte? Eine Vorahnung? Oder war es der übliche Kloß im Hals, wenn die letzte Phase einer Operation ihrem unausweichlichen Ende entgegenging? Etwa ein Anfall von ... Gewissensbissen? Wohl kaum! Das »Gute« in ihm (hatte er so etwas?), das ihm sagte, dass es sich noch vermeiden ließ?
    Aber das ging nicht! Das ging nicht, er musste sie haben! (Ein Blick auf das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr ... 7.30 Uhr abends.) Mittlerweile dürfte sie schon unterwegs sein, gleich würde sie kommen. Oh ja, kommen würde auch er bald! Und dann ihr Blut ...
    ... wenn es in einem heißen, allmählich versiegenden Strahl aus ihrer klaffenden Kehle spritzte. Ihre warmen Brüste, im Moment noch weich, doch die Wärme wich bereits aus ihnen und nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher