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Vampirgeflüster

Vampirgeflüster

Titel: Vampirgeflüster
Autoren: Charlaine Harris
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mich besuchen. Amelia ließ ihn herein, ging aber gleich wieder nach oben, um weiter zu weinen. Sie kannte die Wahrheit natürlich. Der Rest der Einwohner von Bon Temps jedoch war schockiert, dass irgendwelche Fremden einfach in Tray Dawsons Haus einbrechen und ihn foltern konnten. Die allgemeine Meinung war, dass die Mörder Tray vermutlich für einen Drogendealer gehalten hatten, auch wenn bei der peniblen Durchsuchung von Haus und Werkstatt nirgends Drogenutensilien gefunden wurden. Trays Exehefrau und sein Sohn kümmerten sich um die Beerdigungsformalitäten, und Tray würde in der katholischen Kirche Zur Unbefleckten Empfängnis zu Grabe getragen werden. Ich wollte gern daran teilnehmen, schon allein als Stütze für Amelia. Bis dahin blieb mir noch ein weiterer Tag, um mich zu erholen.
    Heute war ich froh, einfach nur im Nachthemd auf dem Bett liegen zu können. Eric konnte mir kein Blut mehr geben, um meine Heilung abzuschließen. Zum einen hatte er mir in den vergangenen Tagen bereits zweimal Blut gegeben, ganz zu schweigen von den kleinen neckischen Bissen beim Sex, und wir waren offenbar irgendeiner undefinierbaren Grenze schon gefährlich nahe gekommen. Zum anderen brauchte Eric all sein Blut, um selbst zu genesen. Er nahm sogar etwas von Pam. Und so juckte mein verheilender Körper vor sich hin, und ich sah mit Genugtuung, dass sich durch das Vampirblut die offenen Fleischwunden an meinen Beinen wieder geschlossen hatten.
    Das machte auch die Erklärung meiner Verletzungen (ein Autounfall; ich war von einem Fremden, der Fahrerflucht begangen hatte, angefahren worden) viel plausibler, wenn nicht zu viele Leute meine Wunden zu genau betrachteten. Sam hatte natürlich sofort geahnt, dass es eine Lüge war. Und so hatte ich ihm gleich bei seinem ersten Besuch erzählt, was wirklich geschehen war. Die Stammgäste des Merlotte's ließen mir ihr Mitgefühl ausrichten, als Sam das zweite Mal kam. Er hatte mir Margeriten und frittiertes Hühnchen von Dairy Queen mitgebracht. Und als er mal meinte, ich würde gerade nicht hinsehen, hatte er mir einen strengen Blick zugeworfen.
    Niall zog sich einen Stuhl an mein Bett und ergriff meine Hand. Die Ereignisse der letzten Tage schienen die feinen Fältchen noch ein wenig tiefer in seine Haut eingegraben zu haben. Und er wirkte vielleicht ein wenig traurig. Aber mein Urgroßvater aus königlichem Hause war immer noch prachtvoll, immer noch majestätisch, immer noch seltsam, und seit ich wusste, wozu sein Volk fähig war, wirkte er auch... furchterregend.
    »Wusstest du, dass Lochlan und Neave meine Eltern getötet haben?«, fragte ich.
    Niall nickte nach einem merklichen Zögern. »Ich habe es vermutet«, sagte er. »Als du mir erzählt hast, dass deine Eltern ertrunken sind, erschien es mir sehr wahrscheinlich. Breandans Leute hatten alle eine Vorliebe für das Wasser.«
    »Ich bin froh, dass die beiden tot sind«, erwiderte ich.
    »Ja, ich auch«, erwiderte er nur. »Und die meisten von Breandans Gefolgsleuten sind ebenfalls tot. Zwei Frauen habe ich das Leben geschenkt, weil wir sie so dringend brauchen. Die eine von ihnen war sogar die Mutter von Breandans Kind, doch ich habe ihr trotzdem das Leben geschenkt.«
    Er schien Lob von mir zu erwarten. »Und dem Kind auch?«, fragte ich.
    Niall schüttelte den Kopf, und sein langes, helles Haar umwehte ihn.
    Er liebte mich, aber er stammte aus einer Welt, die sogar noch grausamer war als meine eigene.
    Und als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte Niall: »Ich werde die Versiegelung unserer Welt vollenden.«
    »Aber in dem Elfenkrieg ging es doch gerade darum, das zu verhindern«, wandte ich verwirrt ein. »Das ist genau das, was Breandan wollte.«
    »Ich bin zu der Auffassung gelangt, dass er recht hatte, wenn auch aus den falschen Gründen. Nicht die Elfen müssen vor den Menschen geschützt werden, sondern die Menschen brauchen Schutz vor uns.«
    »Und was bedeutet das? Welche Folgen wird es haben?«
    »Die Elfen, die unter Menschen gelebt haben, werden eine Entscheidung treffen müssen.«
    »Claude zum Beispiel.«
    »Ja. Er muss die Verbindungen zu unserer geheimen Welt kappen, wenn er hier leben will.«
    »Und die anderen? Die, die immer in der Elfenwelt gelebt haben?«
    »Wir werden nicht mehr herauskommen.« Sein Gesicht strahlte Trauer aus.
    »Dann können wir uns nicht mehr treffen?«
    »Ja, mein Herz. Es ist besser so.«
    Ich versuchte zu protestieren, ihm zu sagen, dass es nicht besser sei, sondern
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