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Vampire und andere Kleinigkeiten

Vampire und andere Kleinigkeiten

Titel: Vampire und andere Kleinigkeiten
Autoren: Charlaine Harris
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schlitzte ihn mit der gebotenen Umsicht auf. Allzu viele Einladungen bekam ich nicht, und wenn, dann zierten diese eher Wasserflecken als Wasserzeichen. So was wie das hier musste man genießen. Vorsichtig zog ich den festen, einmal gefalteten Bogen Papier heraus und schlug ihn auf. Etwas flatterte mir in den Schoß: ein hauchfeines Blatt Seidenpapier. Ohne auf die Worte zu achten, fuhr ich mit den Fingerspitzen über die geprägte Schrift. Wow.
    Aber genug geschwelgt. Jetzt wollte ich einen Blick auf den kursiv gedruckten Text werfen.
    Eric Northman
    und die Angestellten des Fangtasia geben sich die Ehre, Sie zur
    alljährlichen Party im Fangtasia einzuladen anlässlich des Geburtstages
    des Fürsten der Finsternis

GRAF DRACULA
    am 13. Januar um 22 Uhr Für musikalische Unterhaltung sorgt DJ Todesgraf  
    Abendkleidung erwünscht  u. A. w. g.
    Ich las es zweimal. Und dann noch einmal.
    Auf der Fahrt zur Arbeit war ich total in Gedanken versunken und konnte bloß froh sein, dass auf der Hummingbird Road kaum Verkehr herrschte. Ich bog nach links zum Merlotte's ab, verpasste aber dann beinahe die Auffahrt auf den Parkplatz. Im letzten Augenblick trat ich auf die Bremse und lenkte mein Auto auf die Rückseite der Bar, wo die Angestellten parkten.
    Sam Merlotte, mein Boss, saß hinter seinem Schreibtisch, als ich ins Büro trat, um meine Handtasche in der Kommode zu verstauen, die er uns Kellnerinnen zu diesem Zweck überlassen hat. Er war sich offenbar wieder mal mit den Händen durchs Haar gefahren, denn seine rotgoldene Mähne stand ihm wie ein wild gewordener Heiligenschein vom Kopf ab. Sam sah von seinem Steuerformular auf und lächelte mich an.
    »Sookie«, sagte er, »wie geht's dir?«
    »Gut. Und du quälst dich mit der Steuererklärung herum, was?« Ich strich über mein weißes Shirt, damit das über der linken Brust eingestickte »Merlotte's«
    glatt auflag, und wischte mir ein langes blondes Haar von der schwarzen Hose. Zum Kämmen beugte ich mich immer vornüber, damit mein Pferdeschwanz schön mittig wurde. »Lässt du die dieses Jahr nicht vom Steuerberater machen?«
    »Wenn ich so früh anfange, kann ich das auch selbst.«
    Das sagte Sam jedes Jahr, und es endete immer damit, dass er einen Termin beim Steuerberater machte, der dann stets eine Fristverlängerung bei der Steuerbehörde beantragen musste.
    »Sag mal, hast du auch so was bekommen?«, fragte ich und reichte ihm die Einladung.
    Ziemlich erleichtert ließ er den Stift fallen und griff nach dem Büttenpapier. Er überflog den Text kurz.
    »Nein. Aber sehr viele Gestaltwandler werden sie sowieso nicht einladen. Den Leitwolf vielleicht und irgendwelche Supras, die ihnen einen bedeutsamen Dienst erwiesen haben... so wie du.«

    »Ich bin keine Supra«, erwiderte ich überrascht. »An mir ist nichts Übernatürliches, ich habe bloß ... na ja, ein Problem.«
    »Telepathie ist alles andere als ein Problem«, widersprach Sam. »Akne ist ein Problem. Schüchternheit ist ein Problem. Die Gedanken anderer Menschen lesen zu können ist eine Gabe.«
    »Oder ein Fluch«, erwiderte ich, ging zur Kommode hinüber und versenkte meine Handtasche in der tiefen Schublade. Sam stand auf. Ich bin 1,65 Meter groß, und Sam überragt mich bloß um gute fünf Zentimeter.
    Er ist zwar nicht groß, aber stärker als jeder normale Mann seiner Größe, denn Sam ist Gestaltwandler.
    »Gehst du hin?«, fragte er. »Halloween und Draculas Geburtstag sind die einzigen Feiertage, die Vampire einhalten, und soweit ich weiß, schmeißen sie ganz anständige Partys.«
    »Ich weiß noch nicht«, sagte ich. »Vielleicht ruf ich nachher in meiner Pause mal Pam an.« Unter den Vampiren konnte ich Pam, Erics Stellvertreterin, noch am ehesten als Freundin bezeichnen.
    Ziemlich bald nach Sonnenuntergang erreichte ich Pam im Fangtasia. »Graf Dracula gab's also wirklich? Ich dachte immer, der ist eine erfundene Figur«, sagte ich, nachdem ich ihr erzählt hatte, dass ich die Einladung erhalten hatte.
    »Es gab ihn wirklich«, erwiderte Pam. »Vlad Tepes, ein Fürst der Walachei. Die Hauptstadt hieß Targoviste, glaube ich.« Pam sprach wie selbstverständlich über die Existenz eines Geschöpfs, das ich für die gemeinsame Ausgeburt von Bram Stoker und Hollywood gehalten hatte. »Vlad III. war grausamer und blutrünstiger als jeder Vampir, und das schon zu Lebzeiten. Er ließ Menschen gern hinrichten, indem er sie auf riesige Holzpfähle aufspießte. So dauerte es Stunden, bis der
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