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Vampire küssen besser

Vampire küssen besser

Titel: Vampire küssen besser
Autoren: Savannah Russe
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Einkaufszentren das liebste. Schon bei dem Gedanken, dass da Dolce & Gabbana, Gucci, Kenneth Cole, Nine West und Schweizer teuscher Schokolade dicht beieinander sind, kann ich in einen Kaufrausch verfallen. Ich finde, derjenige, der die Galleria entworfen hat, verdient einen Nobelpreis für seine Forschung in Sachen Konsum. Aber ich schweife ab.
    Um die Strenge meines schwarzen Aufzugs zu mildern, schlang ich mir ein Tuch aus tiefem Scharlachrot und Gold um den Hals. Rot ist eine meiner Lieblingsfarben. Ich finde, die Farbe signalisiert Macht, aber vielleicht spricht sie auch heimlich meine Libido und meine speziellen Gelüste an. Dazu legte ich einen breiten, prachtvollen, mahagoniroten Gürtel um. Ich bin sehr dünn und oben herum nicht sonderlich gut ausgestattet, besitze jedoch eine superschmale Taille. Und was man hat, das soll man zeigen. Bei dem Make-up hielt ich mich zurück, wusste aber, dass ich richtig scharf aussah. Als letzten Pfiff steckte ich einen meiner Lieblingsringe an. Er stammt aus Florenz, aus der Zeit der Renaissance, und besteht aus zwei Pantherköpfen, die aus Brillanten zusammengesetzt sind. Der eine Kopf ist in Weißgold gefasst, der andere in Gelbgold und beide haben grüne Augen aus Smaragden. Von zurückhaltend konnte da nicht mehr die Rede sein, doch wann habe ich schon der Zurückhaltung Bedeutung beigemessen? Zum Schluss streifte ich einen dreiviertellangen schwarzen Ledermantel über, fühlte mich wohl, selbstsicher und war bereit loszulegen.
    Das änderte sich, als ich meinem neuen Chef gegenübertrat.
    Um Viertel vor sechs verließ ich die U-Bahn-Station an der Ecke Dreiundzwanzigste Straße und Fifth Avenue. Erst als ich aus dem dunklen Tunnel in das schwindende Tageslicht trat, wurde mir das, worauf ich mich eingelassen hatte, richtig bewusst, und mit einem Mal bekam ich es doch mit der Angst zu tun. Sie wirkte sich als Dämpfer auf meinen Tatendrang aus, und mir wurde kalt, als wäre die Temperatur schon auf den Stand der Nacht gefallen. Ich schob mich durch die Glastür des Flatiron-Gebäudes, bahnte mir einen Weg durch die herausströmenden Angestellten und stieg in einen leeren Fahrstuhl, der auf dem Weg nach oben knarrte und schwankte.
    In den obersten Stockwerken der Nummer 175 war ein waschechter New Yorker Verlag zu Hause. Bei ABC Media handelte es sich dagegen um eine Tarngesellschaft, die eines der Stockwerke viel weiter unten belegte. Ich fand das Büro, drückte auf die Klingel, der Summer ertönte, und die Tür sprang auf. Sie öffnete sich zu einem langen schmalen Konferenzraum, in dem niemand war.
    An der linken Wand befanden sich drei geschlossene Türen und in der Mitte ein großer viereckiger Holztisch mit Stühlen ringsum. Ich trat ein und blickte in die Runde, wartete, ob mein Instinkt reagierte und Gefahren anzeigte. Ein Radio war hinter einer der Türen zu vernehmen, spielte irgendetwas aus dem
Phantom der Oper.
Ich spürte, dass Lebewesen in der Nähe waren, jedoch keine Anzeichen irgendeines lauernden Bösen. Lediglich abgestandene Luft roch ich und verstaubte Pappkartons. Auf einem kleinen Tisch vor den Fenstern, die vor Schmutz nahezu blickdicht waren, standen eine Kaffeemaschine mit leerem Behälter, ein Becher mit Milchersatzpulver und eine Plastiktasse voll mit Zuckertütchen. Die Fenster erstreckten sich über die rechte Wand, die sich mit dem Gebäude schräg nach innen neigte, so dass der Raum halb trapezförmig wirkte. Am anderen Ende befand sich eine Tür mit der Aufschrift DIREKTOR . Sie stand ein Stück offen, und ich ging darauf zu.
    Das Flatiron-Gebäude gleicht einer riesigen Käseecke und wird als der älteste Wolkenkratzer New Yorks bezeichnet. Es bildet die Spitze jenes Zipfels, an dem sich der Broadway mit der Fifth Avenue kreuzt. Wie Kapitän Ahab am Bug des Walfängers Pequod stand in diesem Dreieck still wie eine Statue ein Mann, wahrscheinlich J. Er hatte mir den Rücken zugekehrt und schaute aus einem Fenster. Auch als ich mich näherte, rührte er sich nicht.
    Der Form halber klopfte ich an den Türpfosten. Ohne sich umzudrehen, sagte der Mann: »Treten Sie ein.« Ich tat wie mir geheißen und blieb dann stehen, während eine lange Minute verstrich. Schließlich blickte er über die Schulter zu mir her. Seine blauen Augen, kalt wie ein Eisberg und hart wie Marmor, waren voller Abscheu.
    »Setzen Sie sich«, befahl er.
    Ich tat auch das und bemühte mich um eine ausdruckslose Miene. Falls das ein Spiel sein sollte, nahm ich mir vor,
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