Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vampire bevorzugt

Vampire bevorzugt

Titel: Vampire bevorzugt
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
einer Antwort überhaupt in der Lage war. Ich goss Kaffee in einen Becher.
    »Ja«, sagte er einen Augenblick später, als hätte er darüber erst nachdenken müssen. »Das war das allerunglaublichste Erlebnis meines Lebens.«
    Eine Sekunde lang wusste ich nicht, was er meinte - die Erfahrung im Badezimmer war nun wirklich nichts Neues für Jason, der gern mal einen über den Durst trank.
    »Die Gestaltwandlung«, sagte ich dann vorsichtig.
    Jason nickte und umfasste den Kaffeebecher mit beiden Händen. Er hielt sein Gesicht in den heißen Dampf, der aus dem starken schwarzen Gebräu aufstieg. Dann sah er mir in die Augen. Seine Iris hatte wieder ganz ihr übliches Blau angenommen. »Das ist der allerunglaublichste Rausch«, sagte er. »Weil ich durch Bisse und nicht von Geburt so bin, werde ich allerdings nicht zu einem echten Panther wie die anderen.«
    Ich konnte Neid in seiner Stimme erkennen.
    »Aber sogar das, was aus mir wird, ist toll. Du spürst die Magie, du spürst, wie deine Knochen in dir umherwandern und sich neu zusammenfügen, und dein Sichtfeld verändert sich. Plötzlich bist du dem Boden viel näher und bewegst dich auf ganz andere Art, und was das Rennen angeht, Wahnsinn, du kannst vielleicht rennen. Du kannst jagen ...« Und dann erstarb seine Stimme.
    Über den Teil wollte ich ohnehin lieber nichts erfahren.
    »Dann ist es also gar nicht so übel?«, fragte ich angespannt mit gefalteten Händen. Jason war der einzige Angehörige, den ich hatte, außer einer Cousine, die schon vor Jahren in die Drogenszene abgerutscht war.
    »Gar nicht so übel«, stimmte Jason zu und zwang sich zu einem Lächeln. »Jedenfalls solange du ein Tier bist. Alles ist ganz einfach. Erst wenn du wieder ein Mensch wirst, fängst du an, über die Dinge nachzudenken.«
    Er hegte keine Selbstmordgedanken. Er war nicht mal bedrückt. Erst als ich wieder ausatmete, fiel mir auf, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Jason würde mit dem, was ihm widerfahren war, leben können. Er würde damit klarkommen.Ich verspürte eine ungeheure Erleichterung, als wäre ich plötzlich von einem schmerzhaften Knebel befreit worden. Tagelang, ja wochenlang hatte ich mir Sorgen gemacht, und jetzt war diese Angst verschwunden. Das hieß allerdings nicht, dass Jasons Leben als Gestaltwandler problemlos verlaufen würde, wenigstens befürchtete ich das. Wenn er eine normale Frau heiratete, würden ihre Kinder auch normal sein. Doch wenn er in die Gestaltwandler-Gemeinde von Hotshot einheiratete, würde ich Nichten und Neffen haben, die sich einmal im Monat in Tiere verwandelten. Zumindest nach der Pubertät, was ihnen und auch ihrer Tante Sookie immerhin etwas Zeit gab, sich darauf einzustellen.
    Zum Glück hatte Jason eine ganze Menge freier Tage und musste nicht ständig bei seiner Straßenbautruppe parat stehen. Doch ich musste heute Abend arbeiten. Sobald Jason in seinem auffälligen Pick-up weggefahren war, kroch ich noch mal ins Bett, in Jeans und allem, und war innerhalb von fünf Minuten fest eingeschlafen. Meine Erleichterung wirkte wie ein Beruhigungsmittel.
    Als ich aufwachte, war es fast drei Uhr und an der Zeit, dass ich mich für meine Schicht im Merlotte's fertig machte. Draußen schien die Sonne bei etwa elf Grad, wie mir das Innendisplay meines Außenthermometers verriet. Nicht besonders ungewöhnlich für das nördliche Louisiana im Januar. Die Temperatur würde fallen, sobald die Sonne unterging, und Jason würde sich verwandeln. Aber er würde ja hier und da von Fell bedeckt sein - nicht vollständig, da er zu einem Wesen halb Mensch, halb Tier wurde - und er würde mit anderen Panthern zusammen sein. Sie würden auf die Jagd gehen. Die Wälder rund um Hotshot, ein abgelegenes Dorf im Landkreis Renard, würden heute Nacht wieder zu gefährlichem Terrain werden.
    Während ich durchs Haus lief und etwas aß, duschte und Wäsche zusammenlegte, dachte ich über ein Dutzend Dinge nach, die ich zu gern gewusst hätte. Ich fragte mich, ob die Gestaltwandler einen Menschen, der ihnen zufällig im Wald begegnete, wohl umbringen würden. Ich fragte mich, wie viel ihres menschlichen Bewusstseins ihnen in ihrer Tiergestalt erhalten blieb. Und wenn sie sich in ihrer Panthergestalt paarten, bekamen sie dann ein Junges oder ein Baby? Was geschah mit einer schwangeren Werpantherin bei Vollmond? Und ich fragte mich, ob Jason all diese Fragen bereits beantworten konnte, ob Calvin ihm wohl irgendeine Einweisung gegeben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher