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Vampire bevorzugt

Vampire bevorzugt

Titel: Vampire bevorzugt
Autoren: Charlaine Harris
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was könnte wohl sonst noch gleich jenseits des Lichtkegels im Dunkeln lauern?
    Aus reiner Neugierde begann ich, in die Gedanken um mich herum einzutauchen und mir die Ängste anzusehen. Die meisten Leute in der Bar dachten über Mickey nach. Die Frauen, und auch einige der Männer, fragten sich, wie es wohl wäre, mit ihm zusammen zu sein. Sogar die langweilige Anwältin Portia Bellefleur spähte immer wieder um ihren konservativen Schönling herum, um Mickey zu mustern. Über diese Spekulationen konnte ich mich nur wundern. Mickey war angsteinflößend. Was jede körperliche Anziehung, die ich ihm gegenüber vielleicht empfunden hätte, sofort zunichte machte. Aber nun hatte ich jede Menge Beweise, dass die anderen Menschen in der Bar das keineswegs so empfanden.
    Ich kann schon mein ganzes Leben lang Gedanken lesen. Diese Fähigkeit ist nicht gerade eine großartige Gabe. Bei den meisten Leuten lohnt es sich nicht einmal. Ihre Gedanken sind langweilig, widerlich, ernüchternd und nur selten einmal amüsant. Wenigstens habe ich mit Bills Hilfe gelernt, wie ich einen Teil dieses Getöses abstellen kann. Als ich seine Tipps noch nicht kannte, war es, als würde ich hundert Radiosender gleichzeitig hören. Einige klangen kristallklar, andere kamen wie von weit her und wieder andere, die Gedanken von Gestaltwandlern etwa, knisterten wie elektrostatisch aufgeladen und waren ganz verworren. Und alle zusammen erzeugten sie eine einzige Kakophonie. Kein Wunder, dass viele Leute mich für eine Geisteskranke gehalten haben.
    Vampire waren lautlos. Und das war das Wunderbare an ihnen, jedenfalls aus meiner Sicht. Vampire waren tot. Und auch ihr Gehirn war tot. Nur alle paar Jubeljahre erreichte mich mal blitzartig der Gedanke eines Vampirs.
    Shirley Hunter, der Chef meines Bruders bei seiner Straßenbautruppe, fragte mich, wo Jason sei, als ich ihm einen Krug Bier an der Tisch brachte. Shirley wurde von allen nur »Catfish« genannt.
    »Ihre Vermutung entspricht da wohl ganz der meinen«, sagte ich unwahrheitsgemäß, und er zwinkerte mir zu. Bei der ersten Vermutung, wo Jason sein könnte, drehte es sich immer um eine Frau, und bei der zweiten Vermutung drehte es sich für gewöhnlich um eine andere Frau. Die Männer an dem vollbesetzten Tisch, die noch Arbeitskleidung trugen, lachten lauter, als es die Antwort erfordert hätte. Aber sie hatten auch alle bereits ziemlich viel Bier intus.
    Ich hastete zurück an den Bartresen, um mir drei Bourbon-Cola von Terry Bellefleur geben zu lassen, Portias Cousin, der unter Hochdruck arbeitete. Terry, ein Vietnamveteran mit einer Menge körperlicher und seelischer Narben, schien mit dem hektischen Getriebe des Abends prima klarzukommen. Einfache Jobs, die Konzentration erforderten, gefielen ihm. Sein angegrautes kastanienbraunes Haar war zum Pferdeschwanz zurückgebunden und seine Miene war aufmerksam, während er mit den Flaschen hantierte. Die Drinks waren umgehend fertig, und Terry lächelte mich an, als ich sie auf mein Tablett stellte. Ein Lächeln von Terry, das kam selten vor und wärmte mir das Herz.
    Doch schon als ich mich mit dem Tablett auf der rechten Hand umdrehte, ging der Ärger los. Ein Student der Louisiana-Tech-Universität in Ruston hatte sich auf einen persönlichen Kleinkrieg mit Jeff LaBeff eingelassen, einem Proleten, der jede Menge Kinder hatte und sich als Müllwagenfahrer durchschlug. Vielleicht handelte es sich dabei bloß um zwei sture Typen, die aneinander gerieten, und es hatte eigentlich gar nichts mit dem alten Zwist »Einwohner vs. Student« zu tun (so nahe war Ruston ja schließlich nicht). Aber was auch immer ursprünglich der Grund für den Streit gewesen sein mochte, ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich begriff, dass sich die beiden nicht damit zufrieden geben würden, sich gegenseitig anzubrüllen.
    In diesen wenigen Sekunden versuchte Terry einzuschreiten. Nach ein paar schnellen Schritten stand er zwischen Jeff und dem Studenten und packte beide fest am Handgelenk. Einen Augenblick lang dachte ich, er hätte alles unter Kontrolle, doch Terry war nicht mehr so jung und kräftig wie früher, und plötzlich war die Hölle los.
    »Du könntest das beenden«, sagte ich wütend zu Mickey, als ich an seinem und Taras Tisch vorbeieilte, um selbst Frieden zu stiften.
    Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und nippte an seinem Drink. »Nicht meine Angelegenheit«, erwiderte er seelenruhig.
    Das war deutlich, auch wenn sich der Vampir damit bei mir
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