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Vamperl soll nicht alleine bleiben

Vamperl soll nicht alleine bleiben

Titel: Vamperl soll nicht alleine bleiben
Autoren: Renate Welsh
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spürte, wie der Schweiß an ihr herablief, obwohl es im Museum kühl war.
    »Darf ich Sie etwas fragen?« Ihre Stimme klang piepsig.
    »Gern. Dazu bin ich da.«
    Frau Lizzi zeigte auf den Dinosaurier, in dem sich Vamperl versteckt hatte. »Ist das hier der Brontosaurus? Dem haben doch
     die alten Ägypter kleine Kinder geopfert, nicht wahr?«
    Der Aufseher betrachtete sie von oben bis unten und von unten bis oben. Er führte sie in die andere Ecke des Raumes.
    »Das hier ist der Brontosaurus«, erklärte er. »Er hat sich ausschließlich von Pflanzen ernährt. Kleine Kinder konnte er schon
     deshalb nicht fressen, weil es zu seiner Zeit noch keine gab, weder ägyptische noch andere. Er war seit mehr als 150   Millionen Jahren ausgestorben, als die ersten Menschenkinder auf der Erde herumkrabbelten.«
    Frau Lizzi sah aus dem Augenwinkel, wie Vamperl auf einen Schrank flog. Eilig bedankte sie sich bei dem Aufseher. Sie konnte
     sich gut vorstellen, wie er seinen Kollegen von der verrückten Alten erzählen würde. Sie bot ihm ein Stück Traubenzucker an,
     doch er mochte nichts Süßes.
    Frau Lizzi wandte sich wieder dem Dinosaurier zu. Der Aufseher ging in den Nebenraum.
    Vamperl kam im Sturzflug in Frau Lizzis Tasche zurück.
    Um nicht weiter aufzufallen fragte sie nicht nach der Abteilung mit den Fledermäusen. Suchend wanderte sie durch die Räume.
    Die ausgestopften Tiere machten sie traurig. Der Geruch von Mottenpulver und Staub kitzelte in ihrer Nase. Vamperl lag ruhig
     in ihrer Handtasche, ihm war wohl der Schreck in die Glieder gefahren.
    Endlich kamen sie zu den Fledermäusen.Was es da nicht alles gab: kleinwinzige und riesengroße, spitzohrige und rundohrige, hundert und mehr in hohen Glaskästen.
     Frau Lizzi entdeckte einen großen Vampir. Aber der war in Nordbrasilien und Guyana zu Hause und ernährte sich ausschließlich
     von Insekten und Früchten, ebenso wie der Langzungenvampir nebenan.
    Vamperl wurde unruhig.
    Er streckte den Kopf aus der Tasche und begann zu fiepen. Das Fiepen ging in ein Winseln über.

    Frau Lizzi hatte eben die Aufschrift »Blutsauger« entdeckt. »Von Mexiko bis Paraguay weit verbreitet«, las sie. Da ging ein
     furchtbares Zucken durch den kleinen Vampir.
    »Entschuldige, Vamperl«, murmelte sie. »Ich hab einfach nicht nachgedacht. Natürlich muss das schrecklich sein für dich: lauter
     Fledermäuse hinter Glas. Das muss dich ja an die Zeit unter der Glasglocke erinnern. Mein armer Kleiner. Ringsum nichts als
     tote Verwandtschaft.«
    So schnell es ihre müden Beine erlaubten, lief sie ins Treppenhaus und setzte sich auf ein Geländer.
    Langsam beruhigte sich Vamperl unter ihren Streichelfingern.
    Drei kleine Mädchen kamen die Treppe herauf und zankten sich. Frau Lizzi verstand nur »...   dumm und hässlich«.
    Ein Mädchen blieb zurück. Ganz allein stand es auf der großen Treppe.
    Plötzlich griffen Frau Lizzis Finger insLeere. Blitzschnell hatte Vamperl sich auf die schimpfenden Mädchen gestürzt, saugte ihnen das Gift aus der Galle und flog
     zurück in Frau Lizzis Handtasche. Nachdenklich ging sie die Treppe hinunter.
    Paraguay bis Mexiko, überlegte sie auf dem Heimweg. Arg weit weg. Und wer weiß, ob die Blutsaugerverwandtschaft etwas mit
     meinem Vamperl zu tun haben will? Oder er mit ihnen? In so einer Familie muss er doch das schwarze Schaf sein und die meisten
     Familien nehmen es übel, wenn einer anders ist. Dabei ist doch jeder anders, irgendwie. Er ist halt noch ein bisschen anderer.
     Nein, nach Südamerika fliege ich nicht. Oder war das Mittelamerika? Egal, beides ist zu weit.
    Sie nickte ihrem Spiegelbild in einer Schaufensterscheibe zu.

... und in der Höhle
    Frau Lizzi beschloss einen Ruhetag einzulegen, wegen der Füße und wegen der Aufregung. Vamperl schaukelte an der Vorhangschnur,
     er übte sich im Kunstfliegen, er versteckte sich und Frau Lizzi musste ihn suchen.

    Gegen Abend kam Hannes, Hemd und Haare voll mit Spinnweben. 178   Spinnennetze hatte er gezählt. »Aus einem habe ich einen Marienkäfer gerettet. Ich hab schon gedacht, der ist tot, aber da
     ist er weggeflogen.«
    »Toll«, sagte Frau Lizzi. »178   Spinnennetze und ein geretteter Marienkäfer ergeben 18   Tafeln Schokolade.«
    »Das ist zu viel«, sagte Hannes. »Wissen Sie was, Frau Lizzi? Die Hälfte schenke ich Ihnen.«
    Frau Lizzi nahm das Geschenk dankbar an. Sie hatte große Lust, seine Haare zu wuscheln. Stattdessen gab sie ihm einen Apfel.
    Mit vollem Mund
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