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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt
Autoren: Freda Warrington
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teilnehmen?«
    Iola kam vorbei und reichte Wein in Kelchen. Er brannte in Rosies Kehle und sie spürte, wie die Spiralennarbe so heftig darauf reagierte, dass ihr die Luft wegblieb. Sie untersuchte das kunstvoll gearbeitete Gefäß: silberner Stiel, silberne Weinranken, die so geformt waren, dass sie sich um eine Flöte aus ultramarinfarbenem Glas wanden. Der Wein schmeckte nach Holunderblüten und Honig und stieg ihr direkt zu Kopf.
    Musiker versammelten sich um den Mittelstein im Kreis und gaben mit Gitarre, Trommeln, Violine und Flöte Lieder zum Besten, die anfangs aus Respekt vor Lawrence ernst und getragen waren, dann aber immer mehr an Tempo zulegten. Selbst die Musik erzählte eine Geschichte. Paare begannen zu tanzen; Rosie sah unter ihnen Jessica und Auberon eng umschlungen, was sie erneut daran erinnerte, dass die beiden zudem noch ein verborgenes Leben führten, das nur sie betraf. Was mochte es wohl für sie bedeuten, nach so langer Zeit wieder zurückzukehren?
    Träumerisch beobachtete sie sie. Und sie merkte plötzlich, dass sie wieder menschliche Gestalt angenommen hatten, doch von ätherischem Licht erfüllt und voller Anmut waren. Bald schon gesellte Jessica sich zu den Musikern und begann mit klarer und kräftiger Stimme zu singen. Auberon forderte Rosie zum Tanz auf. Sie lachte, als er sie herumwirbelte, und freute sich der Beweglichkeit ihrer Füße, obwohl sich in ihrem Kopf alles drehte. Sollte Jon dieses Gefühl mittels Drogen gesucht haben, wie konnte sie es ihm verdenken? »Der Große Tanz, was ist das?«, fragte sie atemlos.
    Auberon hielt sie fester umschlungen und sprach so leise, dass sie ihn bei der lauten Musik kaum verstehen konnte. »Es ist der Höhepunkt der Nacht. Keiner wird gezwungen daran teilzunehmen, es ist eine Erfahrung, von der manche nicht wiederkehren. Aber jedes Elfenwesen sollte mindestens einmal daran teilgenommen haben, Rosie.«
    Seine Worte ernüchterten sie. Als die Musik sich veränderte, arbeitete sie sich zum Rand der Menge vor, wo sie frische Luft und Einsamkeit suchte. Am anderen Ende der Lichtung sah man eine ansteigende Wiesenfläche, auf der mehrere große Eichen standen. Sie stieg den halben Weg hinauf und setzte sich auf eine dicke Baumwurzel. Die Festlichkeit, auf die sie nun hinabsah, wirkte unter der himmlischen Weite wie eine Miniatur, ein Schmuckkästchen aus farbigem Licht. Winzige blasse Blüten im Gras zitierten die Sterne. Sie atmete die duftende Luft ein und versuchte sich einzureden, den Rest ihres Lebens auch ohne Sam zubringen zu können. Selbst wenn er noch immer existierte, als Funke des Bewusstseins oder als Elementarwesen – selbst wenn er sich ihrer erinnerte –, ohne seinen Körper, ohne die Verschmelzung von Körper und Persönlichkeit, die ihn zu seinem leuchtenden, vibrierenden Selbst machten, wäre er nicht mehr wahrhaft ihr Sam. Diesen Sam gab es nicht mehr.
    Ein Schatten löste sich zögernd aus dem Dunkel und setzte sich neben sie: ausgerechnet Jon. Er hielt eine Aelyr-Weinflasche in der Hand, ein spitz zulaufendes Objekt aus blauem Glas und Silber. Verwundert stellte sie fest, dass sein Haar auf Kragenlänge abgeschnitten war. Deshalb hatte sie ihn vor den Toren nicht wahrgenommen, sie hatte das lang wallende kastanienbraune Haar nicht gesehen. »O mein Gott, deine Haare!«, rief sie aus. »Wer hat das denn gemacht?«
    »Ich«, meinte er achselzuckend. »Ich war es leid. War meiner selbst leid. Sieht es so schlimm aus?« Er schüttelte das malträtierte Haar, sodass es etwas seidiger um sein Gesicht fiel. Er sah sie von der Seite an. Die engelsgleiche Schönheit, die ihr junges Herz verführt hatte, war ihm geblieben.
    »Wenn du dir eine Frisur machen lässt, wird es gut aussehen«, sagte sie. »Und wenn wir uns daran gewöhnt haben.«
    Jon bot ihr den Wein an und sie trank einen Schluck. Er legte seinen Kopf in den Nacken, um in die Sterne zu schauen. »Wir hätten zusammenkommen sollen, du und ich«, sagte er. »Aber irgendwie haben wir uns verpasst.«
    Rosie fiel die Kinnlade herunter. »Was?« , entfuhr es ihr fast lautlos.
    »Jetzt wünschte ich mir, es wäre so gekommen«, fuhr er unbekümmert fort, ohne ihr Erstaunen wahrzunehmen. »Warum haben wir es nicht getan? Ich kann mich nicht mal daran erinnern.«
    Nachdem sie ein paarmal nach Luft geschnappt hatte, kehrte ihre Sprache zurück. »Du hast mich ganz offensichtlich abstoßend unattraktiv gefunden.«
    »Nein, das habe ich nicht«, sagte er stirnrunzelnd. »Ich habe
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