Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Urod - Die Quelle (German Edition)

Urod - Die Quelle (German Edition)

Titel: Urod - Die Quelle (German Edition)
Autoren: Sarah Levine
Vom Netzwerk:
wie der altersschwache, mit Reklame
    zugekleisterte Bus, Marke Ikarus, der schwarze
    Dieselwolken auskeuchte. Tiefe Krater hatten sich in die
    zerfurchte Straße gefräst und machten ihr Befahren so
    mühselig wie irgend möglich.
    Obwohl mehrere Fenster geöffnet waren, bekam Viola in der stickigen Luft Beklemmungen. Ihre langen, dunklen Haare klebten ihr im Nacken, ihre blasse Haut und das Weiße ihrer dunkelblauen Augen waren von einer feinen Röte überzogen. Ihre Füße erschienen ihr dick wie Kürbisse, so sehr pulsierte das Blut darin. Als würde es kochen. Zudem verursachte ihr das Geschaukel beim Erklimmen der Serpentinen Übelkeit. Die Luft im Bus war erfüllt von Abgasen und so durchdringendem Schweißgeruch, dass Viola Angst hatte, er würde sich in jede ihrer Poren schleichen und dort verharren, bis sie ihn mit einer Wurzelbürste wieder heraus schrubbte. In der Hoffnung auf eine kleine Erfrischung, band sie sich die Haare zusammen und beugte sich vor, um ihr Gesicht in den Fahrtwind zu halten. Dabei stützte sie sich dabei mit den Ellbogen auf Sebastian, der mit geöffnetem Mund neben ihr schlief, als läge er im bequemsten Bett und nicht mal zuckte, als sie ihr Gewicht auf seine Schenkel verlagerte. Viola beneidete ihren Verlobten um diese Gemütsruhe. Er konnte immer und überall schlafen, ungeachtet der Bedingungen. Jetzt lief ihm ein kleines Speichel-Rinnsal aus dem geöffneten Mund an seinem Kinn herab, wodurch er verletzlich und schwach wirkte und Viola empfand für einen winzigen Moment große Zärtlichkeit für ihn. Eine Zärtlichkeit, die ihr ins Herz schnitt. Schnell hielt sie ihr Gesicht in den warmen Wind, der sie kein bisschen abkühlte. Da hätte sie sich auch einen Fön ins Gesicht halten können. Nach einer Weile gab sie es auf und ließ ihren Blick schweifen.
    Der Bus war gerappelt voll. Die meisten Fahrgäste schienen aus der hiesigen Gegend zu kommen. Bulgaren, die sich träge in ihren Sitzen räkelten, vor sich hin dösten und die Hitze gelassen nahmen. Einige von ihnen schienen dagegen immun zu sein, trugen sie doch langärmelige Shirts und ein paar Männer hatten sogar Jacken an. Viola stöhnte bei der Vorstellung, derart dick verpackt in diesem Backofen ausharren zu müssen. Das Dröhnen des Busses vermischte sich mit den Schnaufern der Schlafenden und dem halblauten Gemurmel zweier Bulgarinnen, die sich offenbar amüsante Anekdoten erzählten.
    Ihr Blick blieb schließlich an Thomas hängen. Im Gegensatz zu Sebastian, der groß und athletisch war und ein Gesicht hatte, das wie gemeißelt schien, war Thomas schmal und wirkte schlaksig. Seine Hände waren so zart und feingliedrig wie die einer Frau, seine dunklen Augen hatten etwas Undurchdringliches und wirkten auf Fremde oft abweisend. Seine Haut war von kühler Blässe, als habe sie die Sonne noch nie gesehen und er strahlte eine solche Zerrissenheit aus, dass man in seiner Nähe unwillkürlich nervös wurde. Dennoch hatte seine tiefgründige Ausstrahlung etwas Magisches. Viola hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, sie müsse erforschen, was in Thomas verborgen schien. Sein Geheimnis lüften. Er zog sie an wie das Feuer einen Frierenden. Thomas' dunkelbraune Haare hingen ihm nun wirr ins Gesicht, das sogar im Schlaf etwas Gequältes ausstrahlte. Sie kannte den Grund dafür und es tat ihr weh, ihn so zu sehen, aber sie konnte ihm nicht helfen. Sie konnte einfach nicht.
    Sie strich sich über die Stirn, als wolle sie ihre trüben Gedanken beiseite wischen und vertiefte sich in den Anblick der Landschaft, durch die sie fuhren. Bedrohlich und erhaben türmten sich die Wände des Gebirges neben ihnen auf. Eine ursprüngliche Kraft ging von ihm aus, eine Unnahbarkeit, die suggerierte, dass es der Menschheit trotzen würde. Nicht bereit, sich ihr zu unterwerfen. Seine Wülste und schorfige Oberfläche wirkten abweisend und alarmierend wie der schwarz-gelb geringelte Leib einer Wespe.
    In dem Moment ging ein kräftiger Ruck durch den Bus und Viola wurde gegen den Vordersitz geschleudert. Gepäckstücke wirbelten durcheinander und weckten die Schlafenden unsanft aus ihren Träumen. Der Busfahrer hatte fluchend scharf abgebremst. Eine Weile herrschte Verwirrung und Chaos. Die Mitreisenden versuchten sich zu orientieren. Lautes Stimmengewirr komplettierte das Durcheinander. Was war passiert? Alle blickten sich um, auf der Suche nach dem Grund für diesen unwillkommenen Halt. Der Fahrer hatte die Türen geöffnet, war nach draußen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher