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Urod - Die Quelle (German Edition)

Urod - Die Quelle (German Edition)

Titel: Urod - Die Quelle (German Edition)
Autoren: Sarah Levine
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bequem gemacht, ihre Schuhe und Strümpfe ausgezogen hatte und nun ihren mitgebrachten Proviant verzehrten. Brot und eingelegte Paprika, Schafskäse, Oliven, Tomaten, Gurken und jede Menge hartgekochte Eier. Die Mutter hielt ihre weißen, mit wulstigen Krampfadern durchwirkten Beine in die Sonne. Der Vater packte eine Flasche mit der Aufschrift "Rakia" aus, nahm einen Schluck, reichte sie an seine Söhne weiter, die ebenfalls daran nippten und die Flasche dann an die anderen Fahrgäste weitergaben, die völlig selbstverständlich daran tranken.
    „ Wir sollten ihn begraben!“ sagte Lea.
    Sie schickte sich an, den Vogel hochzuheben. Viola hörte, wie Sebastian ironisch die Luft einsog. Sie fand es zwar auch etwas übertrieben, das tote Tier zu bestatten, aber Lea schien die Sache wirklich nahzugehen und die zwei Minuten konnten sie sich jetzt auch noch Zeit nehmen, bevor sie hoffentlich endlich weiter fuhren.
    Ein penetrantes Quietschen ließ die fünf plötzlich zusammenfahren. Der Fahrer hatte die Scheibenwischer eingeschaltet, um die matschigen Reste des Vogels von seiner demolierten Scheibe zu entfernen. Da ihm aber das Wischwasser ausgegangen war, stellte sich das als verheerende Idee heraus. Blutiges Geschmier, garniert mit Federn und Geweberesten war die Folge. Da hatte die Scheibe vorher wesentlich besser ausgesehen, dachte Viola und konnte sich kaum vorstellen, wie der Fahrer dadurch etwas sehen wollte. Der kam auch prompt wieder aus dem Bus gerannt und wischte wütend mit einem alten Adidas T-Shirt aus Polyester auf der Scheibe herum, was die Sache, ebenso wie seine Laune, nur verschlimmerte. Sein Kopf leuchtete einem Granatapfel gleich, der Schweiß lief ihm in Bächen das Gesicht herunter und auch unter seinen Achseln hatten sich große, nasse Flecken gebildet. Sebastian sah ihm amüsiert zu, während er mit seinem Handy auf und ab ging, und es in verschiedene Richtungen hielt.
    „ Kein Empfang! Das hätte ich mir denken können.“
    „ Wen wolltest du denn jetzt auch anrufen?" fragte Thomas trocken.
    Viola verspürte nicht die geringste Lust, noch länger in der Gluthitze herumzustehen. Sie wollte endlich ins Camp, duschen und ein bisschen schlafen. Irgendwie hatte sie sich ihr Archäologie-Praktikum romantischer vorgestellt. Sie stieg bereits wieder in den Bus, als ein spitzer Schrei sie aufhielt. Er kam von Lea.
    „ Oh Gott, er lebt noch!“
    Alle drehten sich zu ihr um, selbst der Busfahrer schien sie verstanden zu haben. Lea riss sich ihren roten Hut vom Kopf und hielt ihn vor das Tier, um es vor der Sonne zu schützen. Eine absurde Geste. Der tot geglaubte Vogel bewegte sich wirklich.
    Enza sah es mit Erstaunen. Mit einer solch schweren Verletzung hätte jedwedes Leben aus ihm entwichen sein müssen. Seine Bewegungen wirkten kantig und zäh, und er öffnete den Schnabel immer wieder und schnappte dann ins Leere, als erwarte er jeden Moment seine Mutter, die ihn mit Nahrung versorgen würde. Lea flehte Viola und Thomas an, etwas zu unternehmen, doch die beiden hatten keine Chance darauf zu reagieren. Es machte Twuuuupf! und der verletzte Vogel landete in hohem Bogen in dem mit riesigen Disteln übersäten Straßengraben. Der Busfahrer hatte ihm einen gehörigen Tritt versetzt. Der Vogel gackerte kurz, es war das hohe, klingende Gackern eines Truthahns, und verstummte dann für immer.
    „ Mrassno Dschiwodno!“ schimpfte der Fahrer immer wieder. Dann hechtete er dem Vogel hinterher und trat wütend auf ihn ein, wobei er ihn mehrmals verfehlte, was ihn nur noch rasender machte und er schließlich dazu überging beidbeinig auf ihm herumzuspringen. Ein befremdlicher Anblick.
     

    Endlich hatte er sich an der armen Kreatur abreagiert und stapfte zu seinem Bus zurück, als sei nichts gewesen. Einige der männlichen Fahrgäste klatschten Beifall. Nur eine blutige Lache und Lea, die immer noch wie eingefroren am Boden hockte, markierten die Stelle, wo der Vogel eben noch gelegen hatte.
    „ Das mit dem Begräbnis hat sich dann wohl erledigt“, bemerkte Sebastian lakonisch.
    Die einheimischen Fahrgäste machten es sich wieder auf ihren Sitzen bequem, auch die vierköpfige Familie hatte ihren Proviant in einer riesigen grasgrünen Tasche verstaut und kletterte in den Bus. Mit einem selbstzufriedenen Blick scheuchte der Fahrer die fünf auf, sie mögen ebenfalls einsteigen. Viola war einerseits erleichtert, andererseits tat Lea ihr furchtbar leid, wie sie da so klein und zerbrechlich auf dem Boden
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