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Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Titel: Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)
Autoren: Bree Despain
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wusste aus Erfahrung, dass auch die größte Überredungskunst sie nicht dazu bringen konnte, mit uns zu kommen. April wäre es äußerst peinlich gewesen, wenn Jude sie womöglich nur als Anhängsel wahrgenommen hätte. Selbst der Versuch, sie ab und an zum gemeinsamen Essen ins Café zu schleppen, war genauso schwierig, wie einen Hund zum Tierarzt zu bugsieren.
    »Arbeit … ja genau, das war’s.« April warf sich ihren pinkfarbenen Rucksack über die Schulter. »Ich muss jetzt los. Bis später!« Sie hastete in Richtung Ausgang davon.
    »Sie ist … wirklich interessant«, sagte Jude, während er Aprils Abgang beobachtete.
    »Ja, das ist sie mit Sicherheit.«
    »Na, dann …«, sagte Jude, während er mir den Arm um die Schultern legte und mich durch eine Gruppe vonStudenten aus dem zweiten Jahrgang zur Tür führte, »erzähl doch mal mehr von diesem Date.«
    »Es ist
kein
Date.«
     
    Eineinhalb Stunden später
     
    »Pastor D-vine ist wirklich ein Engel des Herrn«, sagte Don Mooney ehrfürchtig, als er den vollgestopften Gemeindesaal der Pfarrkirche betrachtete. Zahlreiche Kartons mit Bekleidung und Nahrungsmitteln waren kreuz und quer übereinandergestapelt, und Jude und ich hatten die Aufgabe, alles zu sortieren. »Hoffentlich könnt ihr die hier noch gebrauchen.« Don rückte den großen Karton mit Thunfischdosen zurecht, den er in den Händen hielt. »Ich hab sie vom Supermarkt, und dieses Mal hab ich sogar daran gedacht, sie zu bezahlen. Ihr könnt Mr Day anrufen, wenn ihr wollt. Wenn ihr sie nicht braucht, dann …«
    »Vielen Dank, Don«, sagte Jude. »Jede einzelne Spende hilft uns weiter, und besonders brauchen wir Nahrungsmittel mit hohem Proteingehalt, so wie Thunfisch. Nicht wahr, Grace?«
    Ich nickte und versuchte, eine weitere Jacke in den bereits überquellenden Karton mit Männerkleidung zu stopfen. Dann gab ich es auf und ließ sie in den halbvollen Frauen-Karton fallen.
    »Und es ist sehr gut, dass du daran gedacht hast, bei Mr Day zu bezahlen«, sagte Jude zu Don.
    Ein breites Grinsen erhellte Dons Gesicht. Er war groß wie ein Grizzlybär, und sein Lächeln glich mehr einem Zähnefletschen. »Ihr seid echte D-vines, wirklich göttlich. Wie euer Vater.«
    »Wir tun auch nicht mehr als alle anderen«, erwiderte Jude in diesem diplomatischen Tonfall, den er von Dad aufgeschnappt hatte und der ihn gleichermaßen bescheiden wie entschieden wirken ließ. Er ächzte, als er versuchte, den Karton aus Dons kräftigen Armen zu übernehmen. »Wow, du hast wirklich
eine Menge
Thunfisch mitgebracht.«
    »Alles, was den D-vines helfen kann. Ihr seid Gottes Engel.«
    Don war nicht der Einzige, der unsere Familie als eine Ansammlung quasi himmlischer Wesen betrachtete. Dad sagte immer, dass der Pastor drüben in New Hope aus derselben Heiligen Schrift las wie er selbst, aber trotzdem kamen die meisten zu Pastor Divine, um das Evangelium zu hören.
    Was würden sie wohl denken, wenn sie gewusst hätten, dass unser Familienname früher Divinovich gelautet hatte? Mein Ur-Ur-Großvater hatte seinen Nachnamen in Divine geändert, als er in Amerika eingewandert war, und mein Urgroßvater hatte den Namen dann für ziemlich passend gehalten, als er dem geistlichen Stand beitrat.
    Ich hingegen fand es oft schwierig, mit diesem Namen zu leben.
    »Was hältst du denn davon, den Karton hier nach draußen zu bringen?« Jude tätschelte Dons Arm. »Du kannstuns helfen, den Lieferwagen für das Obdachlosenheim zu beladen.«
    Mit dem typischen zähnefletschenden Grinsen auf dem Gesicht trug Don den schweren Karton durch den Gemeindesaal. Jude nahm meinen Karton mit Männerjacken und folgte ihm durch die Hintertür.
    Meine Schultern entspannten sich, als Don gegangen war. Er hing dauernd am Pfarrhaus herum, um ›bei irgendwas auszuhelfen‹, doch normalerweise versuchte ich, ihm aus dem Weg zu gehen. Ich hätte es meinem Vater oder meinem Bruder nicht erzählt, aber ich fühlte mich in Dons Anwesenheit immer etwas unwohl. Ich konnte nichts dagegen tun. Er erinnerte mich an Lenny aus der Steinbeck-Erzählung
Von Mäusen und Menschen
mit seiner irgendwie behäbigen und immer nett gemeinten Art, und doch hätte er einem mit einer einzigen Bewegung seiner baseballhandschuhgroßen Pranke den Nacken zerschmettern können.
    Noch immer konnte ich die Erinnerung an die Gewalt, die in diesen Händen steckte, nicht abschütteln.
    Vor fünf Jahren waren Jude und ich (und die Person, deren Name mit einem ›D‹ beginnt und mit einem
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