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Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Titel: Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)
Autoren: Bree Despain
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›aniel‹ aufhört) gerade damit beschäftigt gewesen, Dad beim Saubermachen des Altarraums zu helfen, als Don Mooney zum ersten Mal zur Kirchentür hereingestolpert kam. Obwohl er ganz verschmutzte Klamotten anhatte und einen säuerlichen Geruch ausströmte, begrüßte Dad ihn freundlich, doch Don stürzte sich auf meinen Vater, hielt ihm ein angelaufenes Messer an die Kehle und forderte Geld.
    Ich war so verängstigt, dass ich beinahe meine eigene Grundsatzregel ›Grace weint nicht‹ verletzt hätte. Doch Dad bewahrte komplett die Fassung – selbst als ihm schon das Blut am Hals herablief. Er deutete auf die großen farbigen Fenster über dem Altarraum, die Christus darstellten, wie er an eine hölzerne Tür klopft. »Bittet, so wird euch gegeben«, sagte er und versprach Don, ihm das zu verschaffen, was er wirklich brauchte: einen Job und einen Ort zum Wohnen.
    Schon kurze Zeit später war Don zum treuesten Schäflein in Dads Gemeinde geworden. Alle anderen schienen die Art unserer ersten Begegnung vergessen zu haben. Ich jedoch nicht.
    Machte mich das etwa zur einzigen Divinovich in einer Familie voller Divines?
     
    Abend
     
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Grace.« Pete ließ die Motorhaube von Dads fünfzehn Jahre altem blaugrünen Toyota Corolla hinabsinken. »Ich glaube, wir sind hier gestrandet.«
    Ich war nicht im Mindesten überrascht, dass der Wagen nicht wieder ansprang. Charity und ich versuchten regelmäßig, unsere Eltern davon zu überzeugen, den Corolla abzuschaffen und einen dieser tollen SUVs zu kaufen, doch Dad schüttelte immer nur den Kopf und sagte: »Wie würde das denn aussehen, wenn wir einen neuenWagen anschafften, obwohl dieser noch fährt?« Natürlich war ›fahren‹ ein relativer Begriff. Sprach man beispielsweise ein inniges Gebet und versicherte Gott, den Wagen zum Nutzen der Bedürftigen einzusetzen, sprang er für gewöhnlich beim dritten oder vierten Versuch an. Doch dieses Mal war ich gar nicht so sicher, ob selbst göttliche Einmischung den Wagen zum Laufen bringen könnte.
    »Ich glaube, ich habe ein paar Blocks weiter entfernt eine Tankstelle gesehen«, sagte Pete. »Ich werd mal rüberlaufen und Hilfe holen.«
    »Die Tankstelle ist geschlossen.« Ich hauchte warmen Atem in meine eiskalten Hände. »Sie ist schon seit einer Weile nicht mehr in Betrieb.«
    Pete blickte prüfend die Straße entlang. Außerhalb des orangefarbenen Lichtkegels der Straßenlaterne war nicht viel zu erkennen. Der nächtliche Himmel war völlig von Wolken verdunkelt und ein kalter Wind zerrte an Petes rostbraunem Haar. »Und ausgerechnet heute hab ich vergessen, mein Handy aufzuladen.«
    »Na, immerhin hast du eins«, gab ich zurück. »Meine Eltern leben immer noch im zwanzigsten Jahrhundert.«
    Pete lächelte nur schwach. »Hm, dann muss ich wohl irgendwo ein Telefon suchen«, grummelte er.
    Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass alles meine Schuld war. Noch vor ein paar Minuten hatten Pete und ich Witze über Brett Johnsons Schluckauf während der Chemieprüfung gemacht. Pete hatte mich angesehen, während wir gleichzeitig lachten, und unsere Blicke hatten sich auf irgendwie kosmische Weise getroffen. Dannhatte der Wagen dieses schrecklich dumpfe Geräusch gemacht, hatte zu schlingern begonnen und war in einer Seitenstraße auf unserem Weg zum Obdachlosenheim zum Stehen gekommen.
    »Ich komme mit dir.« Nicht weit entfernt hörte ich das Geräusch von zerbrechendem Glas und zuckte zusammen. »Dann erleben wir wenigsten was.«
    »Lieber nicht. Irgendwer muss hier bei den Sachen bleiben.«
    Der Corolla war mit Kartons vollgestopft, die nicht mehr in den Lieferwagen gepasst hatten. Aber ich war nicht sicher, ob ich diejenige sein sollte, die zurückblieb und darauf aufpasste. »Ich gehe. Du hast schon genug getan.«
    »Kommt nicht in Frage, Grace. Pastor oder nicht, dein Dad würde mich umbringen, wenn ich dich in dieser Gegend allein herumlaufen ließe.« Pete öffnete die Wagentür und schob mich hinein. »Hier drin bist du sicherer – außerdem ist es wärmer.«
    »Aber …«
    »Nein.« Pete deutete auf das besetzte Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich konnte hören, wie ein paar Typen sich durch eines der zerbrochenen Fenster etwas zuriefen. »Ich werde einfach mal bei einer dieser Wohnungen anklopfen.«
    »Gut, okay«, erwiderte ich. »Aber am besten gehst du bis zum Obdachlosenheim. Ungefähr eine Meile in diese Richtung.« Ich zeigte die dunkle Straße hinunter.
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