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Urban Gothic (German Edition)

Urban Gothic (German Edition)

Titel: Urban Gothic (German Edition)
Autoren: Brian Keene
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doch er blickte ihr nur starr in die Augen und schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß. Ich weiß. Ich fühle es auch. Aber wir müssen weitergehen. Wir müssen Heather und die anderen finden und von hier verschwinden. Wenn du weiterhin schreist, findet uns diese Kreatur. Also hör auf damit, in Ordnung?«
    Seine langfingrige, fast feminine Hand blieb auf ihrem Mund, aber der Druck verringerte sich. Seine Augen funkelten im matten Schein des aufgeklappten Handys.
    Kerri blinzelte.
    Javier zog die Hand weg und sie schluchzte. Er drückte ihr einen Finger an die Lippen und brachte sie erneut zum Schweigen.
    »Nein. Nicht hier. Nicht mehr. Wir müssen weg.«
    Nach einigen Augenblicken nickte Kerri. Javier löste den Finger von ihrem Mund. Sie bedauerte es fast sofort. Seine Berührung – dieser winzige menschliche Kontakt – hatte sich tröstlich angefühlt. Panik und Kummer drohten schlagartig wieder, sie zu überwältigen. Als sie sprach, klang ihre Stimme kaum lauter als ein Flüstern. »Hast du jemanden angerufen?«
    »Ich bekomme hier drin keinen Empfang. In einem alten Haus wie diesem ist wahrscheinlich Asbest oder ähnlicher Kram in den Wänden verbaut.«
    Kerri runzelte die Stirn. Konnte Asbest den Handyempfang stören? Sie wusste es nicht.
    »Was jetzt?«, fragte sie.
    »Wir bleiben eine Minute stehen und lauschen. Ich glaube, er ist hinter Brett und Stephanie her.«
    »Er ... er hat Steph erwischt.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich hab’s gesehen, als wir weggerannt sind. Diese ... diese Kreatur hat ihren Kopf mit dem Hammer zertrümmert.«
    »Was ist mit Brett?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Scheiße.« Javier holte tief Luft und schwieg für ein paar Sekunden. »Wir müssen erst Heather und dann einen Weg nach draußen finden.«
    »Was ist mit Brett? Und Tylers und Stephanies Leichen können wir auch nicht einfach zurücklassen.«
    »Wir sind ihnen keine große Hilfe, wenn es uns auch erwischt.«
    Er winkte ihr, ihm zu folgen, und kroch hinter eine alte Couch, die jemand mit einer dreckigen, schimmligen Plane abgedeckt hatte. Kerri robbte hinter ihm her. Zusammen kauerten sie in der Dunkelheit und warteten. Abgesehen von ihrem eigenen Atem hörten sie keinerlei Geräusche. Kerri ließ den Blick durch den Raum wandern und versuchte, ihre Umgebung auszumachen. Viel konnte sie nicht erkennen. Dafür waren die Schatten zu dicht.
    Früher einmal mochte es sich um ein Wohnzimmer gehandelt haben, das inzwischen nur noch einer Müllhalde glich. Die Atmosphäre schien von derselben Verzweiflung erfüllt zu sein, die sich in ihr ausbreitete. Unrat lag über den schmutzigen Boden verstreut – leere Dosen, zerbrochene Flaschen, aufgeplatzte Drogenampullen, ein schrumpliges Kondom. Sie fragte sich, was aus den Leuten geworden sein mochte, von denen der Müll stammte. Hatte man sie abgeschlachtet, so wie Tyler und Steph?
    Außer dem Sofa, hinter dem sie sich versteckten, befanden sich noch einige andere ramponierte Möbelstücke im Zimmer. Kerri konnte ihre Form unter Planen in der Dunkelheit ausmachen. Über ihr prangte ein gesprungener, verschmierter Spiegel schief an der Wand. Der Nagel, an dem er hing, arbeitete sich langsam aus dem Verputz. Vermutlich konnten sie sich glücklich schätzen, dass er nicht zu Boden gekracht war, um ihrem Verfolger einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort zu liefern, als sie den Raum betraten.
    Kerri holte ihr Feuerzeug aus der Tasche und knipste es an. Die kleine Flamme trug wenig dazu bei, die Finsternis zu vertreiben, aber es gab ihr ein besseres Gefühl.
    Javier und sie sichteten einige blutige Fußabdrücke auf dem Boden, die jedoch mittlerweile spärlicher wurden. Kerri nahm an, dass Heathers Wunde allmählich verschorfte.
    Javier hob das Handy vor sein Gesicht und musterte mit zusammengekniffenen Augen das Display. Kerri starrte ihn an und hoffte auf eine positive Neuigkeit. Stattdessen runzelte er die Stirn und schüttelte den Kopf.
    Sie schaute auf und erblickte ihr Abbild im gesprungenen Spiegel. Ihre blauen Augen wirkten nahezu vollkommen rund und die Sommersprossen in ihrem Gesicht zeichneten sich im matten Schein des Mobiltelefons und der Feuerzeugflamme wie schwarze Farbtupfer ab. Unter ihren Augen prangten dunkle Ringe, die es noch vor einer Stunde nicht gegeben hatte.
    Javier ließ das Telefon sinken. Dann packte er Kerri am Ellenbogen und drängte sie, sich in Bewegung zu setzen. Er steuerte mit ihr auf eine weitere Tür an der entgegengesetzten Wand zu. Kerri steckte das
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