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Urangst

Urangst

Titel: Urangst
Autoren: Dean Koontz
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mondbeschienenen Straße miteinander zu spielen.
    Die Heckklappe des Geländewagens stand offen. Der Junge musste Nickie herausgelassen haben.
    Auf den zweiten Blick erkannte Amy, dass Jimmy nicht mit dem Retriever spielte, sondern versuchte fortzulaufen. Der Hund schnitt ihm jedoch immer wieder den Weg ab und versuchte, ihn zum Haus zurückzutreiben.
    Der Junge fiel auf den Bürgersteig und blieb da, wo er hingefallen war, auf der Seite liegen. Er zog die Beine zur Fötushaltung an.
    Der Hund legte sich neben ihn, als hielte er Wache.

    Amy setzte Theresa auf eine Stufe der Veranda und sagte: »Rühr dich nicht von der Stelle, Süße. In Ordnung? Bleib hier sitzen und rühr dich nicht.«
    Das Mädchen antwortete nicht und war vielleicht auch gar nicht dazu in der Lage.
    Durch eine Nacht, die so still war wie eine aufgegebene Kirche und statt nach Weihrauch nach Eukalyptus roch, eilte Amy auf die Straße.
    Nickie beobachtete sie, während sie näher kam. Im Mondlicht wirkte das Gold ihres Fells wie Silber und das gesamte Licht schien ihr allein zugedacht, als ob alles andere nur durch ihren Widerschein erhellt würde.
    Als Amy sich neben Jimmy kniete, hörte sie ihn weinen. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, und er wich nicht vor ihrer Berührung zurück.
    Sie und die Hündin musterten einander über den bekümmerten Jungen hinweg.
    Das Gesicht der Hündin wirkte edel und ihre Miene wies keine Spur von der Komik auf, die sonst so typisch für diese Rasse ist. Edel und feierlich.
    Sämtliche Häuser bis auf eines lagen weiterhin im Dunkeln, und die Straße war von der Stille der Sterne erfüllt. Diese Ruhe wurde nur durch das leise Jammern des Jungen gestört, der verstummte, als Amy ihm über das Haar strich.
    »Nickie«, flüsterte sie.
    Die Hündin hob weder die Ohren noch legte sie den Kopf zur Seite oder reagierte in irgendeiner Form, sondern starrte sie nur unentwegt an.
    Nach einer Weile ermunterte Amy den Jungen, sich aufzusetzen. »Leg die Arme um meinen Hals, Schätzchen.«
    Jimmy war klein, und sie hob ihn vom Bürgersteig hoch und hielt ihn in ihren Armen. »Nie wieder, Schätzchen. Das ist jetzt alles vorbei.«

    Der Hund lief vor ihnen her zum Wagen, rannte die letzten Meter und sprang durch die offene Heckklappe.
    Als Amy den Jungen auf dem Rücksitz absetzte, sah Nickie vom Kofferraum aus zu.
    »Nie wieder«, sagte Amy und drückte dem Jungen einen Kuss auf die Stirn. »Das verspreche ich dir, Schätzchen.«
    Dieses Versprechen überraschte und erschreckte sie. Dieser Junge gehörte nicht ihr und ihre Lebenslinien würden sich wahrscheinlich nur an diesem einen Punkt kreuzen und für kurze Zeit parallel verlaufen. Für ein Kind von Fremden konnte sie nicht das tun, was sie für Hunde tun konnte, und manchmal konnte sie nicht einmal die Hunde retten.
    Und doch hörte sie sich die Worte wiederholen: »Das verspreche ich dir.«
    Sie schloss die Tür und erschauerte in der milden Septembernacht, als sie einen Moment lang hinter dem Geländefahrzeug stehen blieb und Theresa auf den Stufen der Veranda beobachtete.
    Der Mond malte täuschend echtes Eis auf die betonierte Einfahrt und täuschend echten Raureif auf das Eukalyptuslaub.
    Amy erinnerte sich an eine Winternacht mit Blut auf dem Schnee und wüst aufstiebende Möwen, die unter hektischem Geflatter von den Traufen einer hohen Brüstung wegflogen; ihre weißen Flügel hatten für einen Moment einen blendenden Glanz angenommen, als sie sich durch den schwenkenden Lichtstrahl des Leuchtturms himmelwärts aufschwangen wie eine Ehrengarde von Engeln, die eine sündenfreie Seele nach Hause begleiten.

3
    Die Büros von Brian McCarthy und seinen Partnern lagen im Erdgeschoss eines bescheidenen zweistöckigen Gebäudes in Newport Beach. Im oberen Stockwerk wohnte er selbst.
    Amy stellte sich auf den kleinen Parkplatz neben dem Haus. Sie ließ Janet, die beiden Kinder und Nickie, die Hündin, im Geländewagen zurück und begleitete Brian zu der Außentreppe, die zu seiner Wohnung führte.
    Am oberen Ende der langen Treppe schimmerte eine Lampe, aber am unteren Ende war die Dunkelheit undurchdringlich.
    Sie sagte: »Du riechst nach Tequila.«
    »Ich glaube, ich habe ein Stück Limone im Schuh.«
    »Auf den Tisch zu klettern, um dich auf ihn zu stürzen – das war mutig.«
    »Damit wollte ich nur meiner Verabredung imponieren. «
    »Ist dir gelungen.«
    »Jetzt würde ich dich wirklich gern küssen«, sagte er.
    »Mach ruhig, solange wir nicht so viel
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