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Titel: Upload
Autoren: Cory Doctorow
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dass mein Fall noch einmal aufgerollt wird? Oder auch einen Psychotherapeuten oder Psychiater? Irgend-jemanden, der mich unterstützen kann? Offen gestanden hab ich nämlich keine große Hoffnung, dass man mich hier jemals wieder rauslässt.«
    Audie zuckte zusammen und sah ihren Bruder finster an. »Ich kenne wirklich niemanden, der in deinem Fall was unternehmen könnte«, sagte sie schließlich.
    »Na ja, natürlich kennst du persönlich niemanden, wieso solltest du auch? Du hast ja keinen Bedarf.« Ich hatte selbst den Eindruck, irgendwas daher zu schwafeln, aber mir blieb keine Wahl.
    »Du doch nicht. Aber vielleicht hast du irgendwelche Bekannte oder Freunde, die jemanden kennen, der etwas unternehmen könnte? Es kann doch jedenfalls nicht schaden, wenn du dich mal umhörst, oder?«
    »Da magst du recht haben.«
    »Na wunderbar. Weißt du, das wäre wirklich fantastisch. Danke im Voraus, Audie, schon für den Versuch. Ehrlich, ich kann dir gar nicht genug danken. Diese Anstalt hier … Nun ja, es ist hier wirklich schlimm.«
    Jetzt war sie heraus, meine verzweifelte, jäm-merliche Bitte um Hilfe. Von jetzt an konnte es nur 272
    noch abwärtsgehen. Das Schweigen zog sich unerträglich in die Länge, bis ich es schließlich brach.
    »He, wo wir schon dabei sind, wie wär’s, wenn ich euch beiden die Station zeige? Viel zu sehen gibt’s zwar nicht, aber schließlich bin ich hier derzeit zu Hause.«
    Und so zeigte ich ihnen alles: die Sabberer, die Fummler, die Kotzer, mein schreckliches kleines Zimmer, die zerkratzte Tischtennisplatte, die kleb-rigen Kartenspiele und den Fernseher, der hinter einem Gitter stand. Alphie schien sich bei dieser Tour angenehm zu gruseln und verglich die Anstalt fortwährend mit dem neuen Knast in Kingston, Ontario, wo er seine sechsmonatige Strafe abgesessen hatte. Nachdem Audie den ersten Kotzer gesehen hatte, wurde sie ganz still, presste die Lippen aufeinander und überließ es Alphie, meine Führung mit begeistertem Glucksen zu kommentieren.
    »Art«, sagte Audie schließlich in verzweifeltem Ton, »meinst du, man erlaubt uns, dich auf eine Tasse Kaffee oder einen Spaziergang nach drau-
    ßen aufs Gelände mitzunehmen?«
    Ich fragte. Nachdem die Krankenschwester ihr Komset konsultiert hatte, schüttelte sie den Kopf.
    »Leider nicht«, teilte ich den beiden mit. »Be-wachte Ausflüge außerhalb der Station muss man einen Tag vorher anmelden.«
    »Das ist wirklich schade.« Instinktiv verstand 273
    ich Audies Strategie. »Wirklich schade. Aber da kann man wohl nichts machen. Ich würde sagen, wir fahren in unser Hotel zurück.« Ich drückte ihr einen trockenen Kuss auf die Wange, schüttelte Alphies schweißnasse Hand, und weg waren sie.
    Ich ließ das Abendessen ausfallen und verdrückte so viele Kekse, bis ich keine Schokolade mehr sehen konnte.
    »Haben Sie zufällig ein Komset dabei?«, frage ich Doktor Szandor beiläufig.
    »Wieso?«
    »Ich würde mir gern ein paar Notizen machen.
    Die Ideen für die Klinik schriftlich festhalten, ehe ich wieder auf die Station muss.« Und das habe ich auch vor – neben anderen Dingen. Die Versu-chung, mich einfach einzuloggen und meinen eigenen Kram durchzuziehen, ist wirklich groß.
    »Kein Problem.« Er wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich kann die Typen wahrscheinlich noch ein paar Stunden hinhalten. Sie können auch ruhig irgendwo anrufen oder sonst was erledigen.«
    Doktor Szandor ist eine gute Seele.

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    >>>>>>>>>>> 24
    Um sieben Uhr abends, die Sonne über dem See begann gerade unterzugehen, tauchte Pater Ferlenghetti auf und gesellte sich zu Art auf die Veranda. Während sie Limonade tranken, sahen sie zu, wie das Abendlicht die Wellen auf dem Ontario-See in strahlendes Gold tauchte.
    »Dann erzähl mir mal, was du bisher aus deinem Leben gemacht hast, Arthur«, sagte der Pater.
    Er war in Würde gealtert, seit Art ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seine Haut wirkte inzwischen fast durchscheinend. Mit dem Priesterkragen und der altmodischen großen Brille ähnelte er einer Figur aus einem Wachsfigurenkabinett.
    Art hatte den Besuch des Paters völlig vergessen, bis Oma aus ihrer überheizten Küche gekommen war und ihn daran erinnert hatte. Hastig hatte er geduscht, eine frische Hose und ein fast sauberes T-Shirt angezogen und versprochen, sich um den Priester zu kümmern, während Oma das Abendessen zubereitete. Doch jetzt wünschte er, er hätte das Kochen übernommen.
    »Ich arbeite derzeit in London«, erwiderte
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