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Untreu

Titel: Untreu
Autoren: Christa v Bernuth
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bei denen aufkreuzen, das weißt du genau. Jetzt nimm dir doch noch diesen einen Nachmittag.«
    »Anton! Kann Lukas heute bei dir bleiben?«
    Er nahm seinen Koffer vom Förderband und stellte ihn zu ihrem auf den Gepäckwagen. Sein Gesicht verschloss sich. »Sicher. Kein Problem.«
    Niemand, der sich nicht auskannte, hätte in dem Sechziger-Jahre-Bau, eingezwängt zwischen einem Pizza-Hut und einem Kebab-Lokal, eine Polizeidienststelle vermutet. Dabei gab es sogar deren vier. Die Dezernate 11 bis 14 bearbeiteten Tötungsdelikte, organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Prostitution - alles unter einem Dach. Einem provisorischen Dach, wie ihnen schon seit ewigen Zeiten versprochen wurde. Bald, so hieß es Jahr für Jahr, würden sie umziehen. In eine bessere Gegend, in größere, hellere, besser ausgestattete Büroräume.
    Mona parkte ihren Astra in der Tiefgarage. Sie hasste die Garage, in der sie einmal überfallen und entführt worden war, und das trotz Lichtschranken, elektronisch gesicherter Absperrungen und angeblich hochmoderner Überwachungskameras. Immerhin war der
Vorfall
- wie ihn Berghammer gern bezeichnete - zum Anlass genommen worden, stärkere Lampen zu installieren, die betongrauen Wände schneeweiß zu streichen und an jedem Parkplatz Alarmknöpfe anzubringen, die an schwarzen Kabeln von der Decke herabbaumelten. Was sehr merkwürdig aussah und einen zu allem entschlossenen Täter bestimmt von nichts abhalten würde, denn Kabel konnte schließlich jeder abklemmen.
    Aber immerhin, es war jetzt taghell hier unten. Jede Ecke perfekt ausgeleuchtet. Keine Schatten mehr, kaum noch Versteckmöglichkeiten. Trotzdem waren da die gleichen Beklemmungen, die sie seit dem Überfall immer befielen.
    Mona stieg aus und schlug die Tür hinter sich zu. Es gab ein hallendes Geräusch, das sie ignorierte. Sie fühlte, wie sie unter ihrer Bräune blass wurde. Sie fror und konnte sich nicht einreden, dass das nur an den herbstlichen Temperaturen lag. Hastig bewegte sie sich an den anderen parkenden Autos entlang dem Ausgang entgegen. Opel, Ford, Opel, Opel, Opel, und einer älter als der andere. An den Dienstwagen wurde immer als Erstes gespart, Dienstwagen mussten ja auch nicht repräsentativ aussehen, geschniegelt und gelackt wie die Streifenwagen, sondern sollten, so das Standardargument gegen jegliche Investition in diesem Bereich, zu Überwachungszwecken unauffällig sein. Dumm nur, dass sie mittlerweile Letzteres gerade nicht mehr waren - schließlich fuhr kaum ein normaler Mensch freiwillig solche antiquierten Modelle spazieren.
    Mona beschleunigte ihre Schritte, bis sie fast lief. Ihr war bewusst, dass die Überwachungskameras ihre Panik registrierten, und sie hasste diesen Gedanken.
    Nur noch ein paar Meter zum Lift
.
    Es war der Urlaub. Jedes Mal nach einem Urlaub überfielen sie die Ängste wie alte, hartnäckige ungeliebte Bekannte. Als gehörten sie für immer zu Mona, ob es ihr nun passte oder nicht. Als hätte der
Vorfall
eine Tür geöffnet, die sich nicht mehr schließen ließ.
    Ein Polizeipsychologe hatte sie damals behandelt und ein leichtes Trauma konstatiert. Und ihr gleichzeitig klar gemacht, dass das überhaupt nichts Besonderes sei in ihrem Job.
    Als sie endlich im Lift stand, atmete sie auf.
    Zwei Minuten später hatte sie alles vergessen.
    »Alles okay mit dir?«
    »Klar«, sagte Bauer. Er streckte sich unwillkürlich, weil ihn Fischer fast um Haupteslänge überragte.
    »Du bist aber ziemlich blass.«
    »Mir geht's gut.«
    »Hier.« Fischer reichte ihm eine halb leere Chipstüte über den Schreibtisch hinweg und setzte sich, ohne Bauer einen Platz anzubieten. Bauer warf einen Blick in die Tüte. Die Chips waren so ölig, dass sie an der Innenseite einen dünnen Fettfilm hinterließen. Der Geruch nach Paprika, Fett und Salz bedrängte seinen Magen.
    »Nee danke.«
    »Dir ist
doch
schlecht«, stellte Fischer fest.
    Bauer schloss für eine Sekunde die Augen, kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er kam von der Schutzpolizei. Er hatte theoretisch gewusst, was ihn bei der Mordkommission erwartete, aber es war seine erste Leiche gewesen, und schon der Gedanke daran löste Brechreiz aus. So
durfte
einfach kein Mensch aussehen, tot oder nicht. Zerfleddert wie einer dieser uralten kaputten Pennerschuhe, die man manchmal am Flussufer fand, mit einem Rest Schnürsenkel dran. Die verbliebene Haut braunfleckig und ledrig, das Gesicht bis auf ein paar Fetzen nicht mehr vorhanden. Die weiß
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