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Untreu

Titel: Untreu
Autoren: Christa v Bernuth
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hervorschimmernden Knochen. Der süßlich-eklige, durchdringende Geruch, den seltsamerweise keiner von den Nachbarn wahrgenommen hatte, was vielleicht an dem frühen Kälteeinbruch und dem ständigen eisigen Regen lag. Man ging nicht mehr in den Garten, wenn es sich vermeiden ließ.
    Bauer dachte an den erleuchteten Garten, an die Hektik, an die unkoordinierten Grabungsarbeiten mitten in der verregneten Nacht, an die klebrige schwarze Erde an seinen schmutzigen Handschuhen. Er hatte Herzog die Lampe halten müssen, als der die Erstuntersuchung an der Leiche vornahm.
    Gehirn fast weggefressen... hey, komm mal tiefer runter mit dem Licht. Tiefer, weiter rechts, verdammt! Ich kann nichts sehen!
    Okay, Verwesung weit fortgeschritten, wahrscheinlich weil Objekt nur dünn mit Erde und losen Balken bedeckt... Jetzt den Brustkorb... Junge! Nicht die Beine, den Brustkorb, Herrgott noch mal, die paar anatomischen Kenntnisse kann man ja wohl voraussetzen...
    Bauer hatte die Beine angeleuchtet, weil die in einer dunkel verfärbten Hose, wahrscheinlich Jeans, steckten. So konnte man sich einbilden, der Mann, der da lag, war gar nicht so... tot? Ein Albtraum, der ihn nicht aus seinen Klauen lassen wollte. Ein Splattermovie der schlimmsten Kategorie. Ihn schauderte.
    »Mir geht's gut«, hörte er sich (zum wievielten Mal?) zu Fischer sagen, dabei rauschte es in seinen Ohren und flimmerte vor seinen Augen.
    »Willst du heim? Dich ausruhen?«
    »Nein.« Bauer öffnete die Augen; er hörte Fischer kaum. Zu Hause wäre er um diese Tageszeit mutterseelenallein, weil seine Freundin in einem Friseursalon arbeitete. Zu Hause würden ihn die grässlichen Bilder überhaupt nicht mehr in Ruhe lassen.
    Okay, wir packen ihn ein,
hatte Herzog zum Schluss allen Ernstes gesagt, als handele es sich um einen defekten Stuhl. Und dann hatten Herzogs Helfer die Leiche an den Hosenbeinen und an den skelettierten Armen aus der flachen Grube gehoben, und dabei war ein Batzen vermodertes Restfleisch abgefallen - mit einem widerlichen
Wittsch
in die Grube zurückgefallen. Und noch immer hatte Bauer sich zusammengenommen, und sich nichts anmerken lassen. Erst in den Armen seiner Freundin, um fünf Uhr morgens war der Zusammenbruch gekommen, mit Weinen und Kotzen und Schwindelanfällen.
    »Mir geht's gut.« Langsam ließ die Übelkeit nach, warum, wusste er nicht.
    »Ehrlich?«
    »Ja.« Bauer sah Fischer in die Augen. Er saß mittlerweile auf Fischers einzigem Besucherstuhl. Keine Ahnung, wie er da hingekommen war.
    »Hallo, Mona«, sagte Fischer und sah über ihn hinweg. Bauer drehte sich hastig um. Eine große, schlanke, sonnengebräunte Frau in einem hässlichen Parka stand hinter ihm. Sie hatte mittellange braune Haare. Sie musste Mona Seiler sein, Chefin der MK 1. Er stand auf und stellte sich vor.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, können wir uns duzen. Ich heiße Mona.«
    »Patrick«, sagte Bauer folgsam. Mona, Mona, Mona. Er prägte sich ihren Vornamen ein. Sie nannten sich alle nach kurzer Zeit bei den Vornamen, redeten übereinander allerdings meistens per Nachnamen. Der Schmidt. Der Forster. Bei Frauen ging das schwieriger. Die Seiler... Das klang wie eine Beleidigung.
    »Ich hoffe, es gefällt dir bei uns«, sagte Mona und setzte sich auf den Rand von Fischers Schreibtisch. Ihre Augen waren braun und ihr Blick sehr direkt und gleichzeitig auf seltsame Weise zurückhaltend. Als gäbe es viele Gedanken und Gefühle, die sie niemandem mitteilte.
    »Ja. Klar. Es gefällt mir gut.«
    »Na sicher«, sagte Fischer spöttisch. »Wir haben ja auch den geilsten Job der Welt. Man muss ihn einfach lieben.«
    Bauer kam sich vor wie ein Idiot. Er senkte den Kopf. Immerhin gab sein Magen wieder Ruhe, und schwindlig war ihm auch nicht mehr.
    »Ich würde gern mal für eine Minute mit Hans allein sprechen«, sagte Mona. »Vielleicht könntest du...«
    »Ja - sicher...« Bauer sprang auf.
    »Konferenz ist um fünf«, sagte Fischer, wieder mit diesem sarkastischen Lächeln. Bauer nahm seine Tasche und ging hinaus. Auf dem Weg zu seinem Büro, das er sich mit Forster teilte, stieß er fast mit Schmidt zusammen, einem kleinen nervösen Mann, der es ständig eilig hatte.
    »Mona wieder da?«, fragte Schmidt.
    »Ja«, antwortete Bauer. »Sie ist bei...«
    Aber Schmidt war schon an ihm vorbei.
    »Schätzungsweise Messerstiche«, sagte Fischer. »Er war möglicherweise schnell tot, sagt Herzog.«
    »Schnell tot? Wie schnell?«
    »Du weißt doch, wie er ist. Hauptsache
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