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Untreu

Titel: Untreu
Autoren: Christa v Bernuth
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kapitulierte.
    Lukas lief voraus, barfuß, mit seinen Riesensneakers in der Hand. Seine Waden wirkten zaundürr in den überweiten halblangen Jeans. Die Sonne ließ seine zerzausten Haare golden aufleuchten.
    »Du schaust toll aus in dem Kleid«, sagte Anton. Er hatte den Arm um Mona gelegt und drückte sie kurz an sich.
    »Ja. Du willst bloß gut Wetter machen.«
    Warum sagte sie das? Warum musste sie jetzt, an ihrem letzten gemeinsamen Tag, diese herbe Note hineinbringen? Wie üblich reagierte Anton nicht darauf, aber er ließ seinen Arm von ihrer Schulter sinken, und eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her. Mona sah auf ihre nackten braunen Füße, die bei jedem Schritt im glitschig nassen Sand versanken. Kleine Wellen umspielten ihre Beine. Der Saum ihres Kleides war feucht, und aus irgendeinem Grund ärgerte sie das. Anton hatte ihr das Kleid in diesem Urlaub geschenkt. Später würde sie darin frieren.
    »Wann geht unser Flug?«, fragte sie.
    »Weißt du doch genau.« Auch Antons Stimme war jetzt gereizt. Sie hatte die Stimmung verdorben, sie war schuld.
    »Halb zwölf oder zwölf?«
    »Zwölf Uhr zehn.«
    »Sicher?«
    Er seufzte auf. »Willst du streiten oder was?«
    »Wieso streiten? Ich hab dir eine ganz normale Frage gestellt.«
    »Zwölf Uhr zehn. Um halb elf kommt das Taxi. Zufrieden?«
    Mona antwortete nicht, weil sie fast da waren und sie nicht wollte, dass Lukas sie streiten hörte.
    Die Bar war kaum mehr als ein Holzverschlag mit ein paar Holztischen und -bänken drumherum. Die Sonne war untergegangen, die wenigen Gäste der Bar packten Pullover und Wolljacken aus. Es war wie jeden Abend in den letzten beiden Wochen. Der Barbesitzer kam freudestrahlend auf sie zu und begrüßte Anton, Mona wie üblich ignorierend, mit doppeltem Handschlag wie einen lange vermissten Kameraden. »Hi, my friend Antony. So nice to see you.«
    Anton grinste. »Hi Bill«. Der Barbesitzer hieß eigentlich Vasily, aber für die Touristen war er Bill, weil er, wie er Anton eines Abends anvertraut hatte, den Touristen nicht zutraute, sich einen so schwierigen Namen wie Vasily zu merken.
    »Potatoe chips for the young man?«
    Lukas nickte mit ernstem Gesicht. Bill war höchstens dreißig und sehr hübsch mit seinen blonden Haaren, braunen Augen und der tief gebräunten Haut. Er hatte eine englische Freundin, ein rothaariges Mädchen, das jeden Abend in seiner Nähe war, Handlangerdienste für ihn erledigte und - den Eindruck hatte Mona - offenbar einfach nicht wieder nach Hause fahren wollte. Wenn Bill nichts zu tun hatte, setzte er sich zu ihr, legte den Arm um sie, und sie küssten sich und unterhielten sich leise. Vielleicht liebte er sie wirklich.
    Sie setzten sich an einen der wackligen Tische. Es dämmerte, und Bill schaltete die beiden einzigen Lampen an der Bar ein, die ein grelles Licht verbreiteten und trotzdem nicht viel erhellten. Eine Windbö wirbelte Sand auf; Mona spürte ihn in den Haaren, und er brannte wie Scheuerpulver auf ihrer trockenen, sonnengeröteten Haut. Sie bestellte Souvlaki, Anton Gyros, und Lukas Pommes frites, weil er seit einem halben Jahr kein Fleisch mehr aß. Eine mühsame Marotte, die Monas ohnehin nicht sehr ausgeprägte Kochkünste auf eine harte Probe stellte.
    »Wir könnten noch hier bleiben«, sagte Anton. Mona schloss die Augen. Das war typisch für Anton. Für seine verantwortungslose Haltung. Warum sagte er so etwas vor Lukas? Lukas konnte nicht hier bleiben, auf gar keinen Fall. Lukas musste in die Schule - eine Woche, nicht länger, hatten sie ihn über die Sommerferien hinaus beurlaubt, und nur deshalb weil er im Frühsommer diesen Zusammenbruch hatte, an den Mona nicht einmal mehr denken mochte.
    Sie nahm sich zusammen, Lukas zuliebe.
    »Ihr zwei könnt ja machen, was ihr wollt, aber ich muss leider heim.« Unter dem Tisch stieß sie Anton ans Schienbein, hoffend, dass er wenigstens einmal kapierte, dass das Thema ernst war, dass leichtfertige Bemerkungen wie diese Lukas durcheinander bringen konnten, dass Lukas im Moment nicht durcheinander gebracht werden durfte, dass man nicht alles mit Liebe, Geld, Geschenken und lockeren Sprüchen regeln konnte, dass...
    »War nur'n Witz.« Anton zwinkerte ihr zu, und Mona atmete auf. »Die Pflicht ruft, was, Alter?« Er gab Lukas, der neben ihm saß, eine leichte, scherzhafte Kopfnuss.
    Aber es war schon zu spät.
    »Ich will nicht nach Hause! Zu Hause ist es scheiße.« Lukas' Gesicht bekam wieder diesen seltsamen Ausdruck, den
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