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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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er eine Krone, die so sehr glitzerte, daß die Leute ihn gar nicht ansehen konnten, ohne ihre Augen zu schützen. Plötzlich weckte ihn eine mächtige Stimme:
     »Cocò Afflitto!«
     »Ehja?« fragte er und öffnete die Augen. Am Fuße des Thrones stand ein Kerl mit einem Schäferstab in der Hand, seine Kleidung war eine Art durchlöcherter Sack. Als er genauer hinsah, wurde ihm klar, daß dieser Mann er selbst war.
     »Erinnere dich«, sagte der, der wie ein Pilger aussah, »wie ich jetzt vor dir stehe! Sieh nur, wie sie mich klein machen wollen! Arm und irre! Doch du sollst mich schützen! Überlasse ihre Söhne der Hungersnot, lasse sie fallen unter dem Streich deines Schwertes! Ihre Weiber sollen ohne Kinder bleiben, Witwen sollen sie werden, aus ihren Häusern sollen Wehklagen dringen und Schreie der Verzweiflung! Sie haben die Grube gegraben, um mich zu ergreifen, sie haben Schnüre um meine Füße gebunden!«
     »War es denn wirklich nötig, mich aufzuwecken, nur um mir das zu sagen?« fragte Don Cocò und nickte wieder ein auf seinem Throne.

    Der Cavaliere Antonio Lacalamita, der von Catania nach Montelusa gekommen war, um den Staatsanwalt des Königs, Rebaudengo, abzulösen, hat sich, erschöpft von der Reise, gleich hingelegt. Er träumt, daß er in den Palast des Gesetzes eintreten will, doch davor steht der Türhüter, der ihm sagt, daß er das jetzt, in diesem Augenblick, nicht könne. »Und später?« fragt Lacalamita. »Es ist möglich«, sagt der Türhüter. Das Tor des Palastes aber steht offen und Lacalamita schaut angestrengt ins Innere. Der Hüter beginnt, ganz fürchterlich zu lachen.
     »Wenn es Sie denn so lockt, versuchen Sie doch, trotz meines Verbotes, hineinzugehen. Merken Sie aber: Ich bin mächtig. Und ich bin nur der unterste Türhüter. Vor jedem der dreihundert Säle steht ein Türhüter, und einer ist mächtiger als der andere. Schon den Anblick des dritten kann nicht einmal ich mehr ertragen.«
     »Sollte das Gesetz denn nicht jedem und immer zugänglich sein?« fragt sich der Staatsanwalt Lacalamita mehr verwirrt als überzeugt.
     »Ich möchte lieber warten«, sagt er indessen zum Türhüter.
     Da nimmt der Türhüter einen Schemel und stellt ihn seitwärts von der Tür hin. Der Staatsanwalt läßt sich darauf nieder. Und in diesem Augenblick wird ihm klar, daß er auf diesem Schemel Monate, Jahre, ein Leben verbringen wird.
     Sciaverio weiß nicht, ob er jemals einen ganzen Traum durchgeträumt hat, einen mit Anfang und Ende, auch wenn es sich um Anfang und Ende nach Art der Träume handelt, die keiner Logik folgen. Nichts. Er sieht lediglich Dinge, die im Traum für kurze Zeit vor ihm auftauchen und danach im Dunkel verschwinden. Eine Frauenhand. Ein kreisrunder Hundehaufen. Dunkel. Eine Trillerpfeife aus Schilfrohr. Ein Männermund, der Blut spuckt. Ein zwanzig Zentimeter langes Stück Kordel. Ein Ei. Dunkel. Ein Auge, das sich öffnet und schließt. Ein runder glatter Stein, ähnlich denen, die man in der Nähe des Wassers findet. Dunkel. Dunkel. Dunkel. Eine angezündete Zigarre. Ein Korken.

    Giovanni träumt, es sei noch Nacht, aber er befindet sich bereits an Deck des Schiffes, und mit klopfendem Herzen sieht er plötzlich Genua in der Ferne, zwischen den dunklen Bergen und dem Strand, ein Spinnennetz aus flackernden Feuern, das über die Luft des Meeres gebreitet ist…

    Auch der Staatsanwalt Rebaudengo träumte, er stünde auf der Brücke eines Schiffes. Die Küste Siziliens war inzwischen nur noch ein hauchdünner Streifen, den man kaum mehr wahrnehmen konnte, ein immer weniger erkennbarer Strich, der das Meer vom Himmel schied. Und gerade in dem Augenblick, als er die Insel nicht mehr erkennen konnte, wußte er mit aller Klarheit, daß er dieses Land geliebt hatte und daß er früher oder später dorthin zurückkehren würde. Er wachte auf. »Ich werde mir darüber den Kopfzerbrechen«, sagte er laut.

    Der Ermittlungsrichter Giosuè Pintacuda hatte sich, ohne zu wissen wieso, inmitten einer Schlacht wiedergefunden. Von überall her waren Stimmen und Schüsse zu hören. Das Schöne war nur, daß er zwar genau wußte, auf welcher Seite er stand und wer der Feind war, aber keine Befehle erhalten hatte, was genau zu tun sei. Daher konnte er sich nur in Geduld fassen und abwarten. Er lag ausgestreckt auf der Erde, mit einem Gewehr in der Hand. Er zweifelte nicht daran, daß er früher oder später schießen müsse. Unterdessen hörte er, lauter als alle Schreie
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