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Unterm Birnbaum

Unterm Birnbaum

Titel: Unterm Birnbaum
Autoren: Theodor Fontane
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Damals ging es, das Messer saß mir an der Kehle. Aber jetzt! Wahrhaftig, das Einbetten war nicht so schlimm, als es das Umbetten ist.«
    Und von Angst und Unruhe getrieben, ging er auf den Kirchhof und trat an das Grab seiner Frau. Da war der Engel mit der Fackel, und er las die Inschrift. Aber seine Gedanken konnten von dem, was er vorhatte, nicht los, und als er wieder zurück war, stand es fest: »Ja,
heute
noch... Was du tun willst, tue bald.«
    Und dabei sann er nach,
wie's
geschehn müsse.
    »Wenn ich nur etwas Farnkraut hätte. Aber wo gibt es Farnkraut hier? Hier wächst ja bloß Gras und Gerste, weiter nichts, und ich kann doch nicht zehn Meilen in der Welt herumkutschieren, bloß um mit einem großen Busch Farnkraut wieder nach Hause zu kommen. Und warum auch? Unsinn ist es doch.«
    Er sprach noch so weiter. Endlich aber entsann er sich, in dem benachbarten Gusower Park einen ganzen Wald von Farnkraut gesehn zu haben. Und so rief er denn in den Hof hinaus und ließ anspannen.
    Um Mittag kam er zurück, und vor ihm, auf dem Rücksitze des Wagens, lag ein riesiger Farnkrautbusch. Er kratzte die Samenkörnchen ab und tat sie sorglich in eine Papierkapsel und die Kapsel in ein Schuhfach. Dann ging er noch einmal alles durch, was er brauchte, trug das Grabscheit, das für gewöhnlich neben der Gartentür stand, in den Keller hinunter und war wie verwandelt, als er mit diesen Vorbereitungen fertig war.
    Er pfiff und trällerte vor sich hin und ging in den Laden.
    »Ede, du kannst heute nachmittag ausgehn. In Gusow ist Jahrmarkt mit Carrousel und sind auch Kunstreiter da, das heißt Seiltänzer. Ich hab heute vormittag das Seil spannen sehn. Und vor acht brauchst du nicht wieder hier zu sein. Da nimm, das ist für dich, und nun amüsiere dich gut. Und is auch 'ne Waffelbude da, mit Eierbier und Punsch. Aber hübsch mäßig, nich zuviel; hörst du, keine Dummheiten machen.«
    Ede strahlte vor Glück, machte sich auf den Weg und war Punkt acht wieder da. Zugleich mit ihm kamen die Stammgäste, die, wie gewöhnlich, ihren Platz in der Weinstube nahmen. Einige hatten schon erfahren, daß Hradscheck am Vormittag in Gusow gewesen und mit einem großen Busch Farnkraut zurückgekommen sei.
    »Was du nur mit dem Farnkraut willst?« fragte Kunicke.
    »Anpflanzen.«
    »Das wuchert ja. Wenn das drei Jahr in deinem Garten steht, weißt du vor Unkraut nicht mehr, wo du hin sollst.«
    »Das soll es auch. Ich will einen hohen Zaun davon ziehn. Und je rascher es wächst, desto besser.«
    »Na, sieh dich vor damit. Das ist wie die Wasserpest; wo sich das mal eingenistet hat, ist kein Auskommen mehr. Und vertreibt dich am Ende von Haus und Hof.«
    Alles lachte, bis man zuletzt auf die Kunstreiter zu sprechen kam und an Hradscheck die Frage richtete, was er denn eigentlich von ihnen gesehen habe.
    »Bloß das Seil. Aber Ede, der heute nachmittag da war, der wird wohl Augen gemacht haben.«
    Und nun erzählte Hradscheck des breiteren, daß
der
, dem die Truppe jetzt gehöre, des alten Kolter Schwiegersohn sei, ja, die Frau desselben nenne sich noch immer nach dem Vater und habe den Namen ihres Mannes gar nicht angenommen.
    Er sagte das alles so hin, wie wenn er die Kolters ganz genau kenne, was den Ölmüller zu verschiedenen Fragen über die berühmte Seiltänzerfamilie veranlaßte. Denn Springer und Kunstreiter waren Quaasens unentwegte Passion, seit er als zwanzigjähriger Junge mal auf dem Punkte gestanden hatte, mit einer Kunstreiterin auf und davon zu gehn. Seine Mutter jedoch hatte Wind davon gekriegt und ihn nicht bloß in den Milchkeller gesperrt, sondern auch den Direktor der Truppe gegen ein erhebliches Geldgeschenk veranlaßt, die »gefährliche Person« bis nach Reppen hin vorauszuschicken. All das, wie sich denken läßt, gab auch heute wieder Veranlassung zu vielfachen Neckereien, und um so mehr, als Quaas ohnehin des Vorzugs genoß, Stichblatt der Tafelrunde zu sein.
    »Aber was is das mit Kolter?« fragte Kunicke. »Du wolltest von ihm erzählen, Hradscheck. Is es ein Reiter oder ein Springer?«
    »Bloß ein Springer. Aber was für einer!«
    Und nun fing Hradscheck an, eine seiner Hauptgeschichten zum besten zu gehen, die vom alten Kolter nämlich, der Anno 14 schon sehr berühmt und mit in Wien auf dem Kongreß gewesen sei.
    »Was, was? Mit auf dem Kongreß?«
    »Versteht sich. Und warum nicht?«
    »Auf dem Kongreß also.«
    Und da habe denn, so fuhr Hradscheck fort, der König von Preußen zum Kaiser von Rußland
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