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Unterm Birnbaum

Unterm Birnbaum

Titel: Unterm Birnbaum
Autoren: Theodor Fontane
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dem Korkzieher, um die Flaschen aufzuziehn. Als er aber den Burgunder in die Hand nahm, gab er dem Jungen, halb ärgerlich, halb gutmütig, einen Tipp auf die Schulter und sagte: »Bist ein Döskopp, Ede. Mit grünem Lack, hab ich dir gesagt. Und das ist gelber. Geh und hol 'ne richtige Flasche. Wer's nich im Kopp hat, muß es in den Beinen haben.«
    Ede rührte sich nicht.
    »Nun, Junge, wird es? Mach flink.«
    »Ick geih nich.«
    »Du gehst nich? warum nich?«
    »Et spökt.«
    »Wo?«
    »Unnen... Unnen in 'n Keller.«
    »Junge, bist du verrückt? Ich glaube, dir steckt schon der Mitternachtsgrusel im Leibe. Rufe Jakob. Oder nein, der is schon zu Bett; rufe Male,
die
soll kommen und dich beschämen. Aber laß nur.«
    Und dabei ging er selber bis an die Küchentür und rief hinaus: »Male.«
    Die Gerufene kam.
    »Geh in den Keller, Male.«
    »Nei, Herr Hradscheck, ick geih nich.«
    »Auch
du
nich. Warum nich?«
    »Et spökt.«
    »In's Dreideibels Namen, was soll der Unsinn?«
    Und er versuchte zu lachen. Aber er hielt sich dabei nur mit Müh auf den Beinen, denn ihn schwindelte. Zu gleicher Zeit empfand er deutlich, daß er kein Zeichen von Schwäche geben dürfe, vielmehr umgekehrt bemüht sein müsse, die Weigerung der beiden ins Komische zu ziehn, und so riß er denn die Tür zur Weinstube weit auf und rief hinein: »Eine Neuigkeit, Kunicke...«
    »Nu, was gibt's?«
    »Unten spukt es. Ede will nicht mehr in den Keller und Male natürlich auch nicht. Es sieht schlecht aus mit unsrer Bowle. Wer kommt mit? Wenn zwei kommen, spukt es nicht mehr.«
    »Wir alle«, schrie Kunicke. »Wir alle. Das gibt einen Hauptspaß. Aber Ede muß auch mit.«
    Und bei diesen Worten eines der zur Hand stehenden Lichter nehmend, zogen sie – mit Ausnahme von Woytasch, dem das Ganze mißhagte – brabbelnd und plärrend und in einer Art Prozession, als ob einer begraben würde, von der Weinstube her durch Laden und Flur und stiegen langsam und immer einer nach dem andern die Stufen der Kellertreppe hinunter.
    »Alle Wetter, is
das
ein Loch!« sagte Quaas, als er sich unten umkuckte. »Hier kann einem ja gruslig werden. Nimm nur gleich ein paar mehr mit, Hradscheck. Das hilft. Je mehr Fidélité, je weniger Spuk.«
    Und bei solchem Gespräch, in das Hradscheck einstimmte, packten sie den Korb voll und stiegen die Kellertreppe wieder hinauf. Oben aber warf Kunicke, der schon stark angeheitert war, die schwere Falltür zu, daß es durch das ganze Haus hin dröhnte.
    »So, nu sitzt er drin.«
    »Wer?«
    »Na wer? Der Spuk.«
    Alles lachte; das Trinken ging weiter, und Mitternacht war lange vorüber, als man sich trennte.
     
Achtzehntes Kapitel
     
    Hradscheck, sonst mäßig, hatte mit den andern um die Wette getrunken, bloß um eine ruhige Nacht zu haben. Das war ihm auch geglückt, und er schlief nicht nur fest, sondern auch weit über seine gewöhnliche Stunde hinaus. Erst um acht Uhr war er auf. Male brachte den Kaffee, die Sonne schien ins Zimmer, und die Sperlinge, die das aus den Häckselsäcken gefallene Futterkorn aufpickten, flogen, als sie damit fertig waren, aufs Fensterbrett und meldeten sich. Ihre Zwitschertöne hatten etwas Heitres und Zutrauliches, das dem Hausherrn, der ihnen reichlich Semmelkrume zuwarf, unendlich wohltat, ja, fast war's ihm, als ob er ihren Morgengruß verstände: »Schöner Tag heute, Herr Hradscheck; frische Luft; alles leichtnehmen!«
    Er beendete sein Frühstück und ging in den Garten. Zwischen den Buchsbaumrabatten stand viel Rittersporn, halb noch in Blüte, halb schon in Samenkapseln, und er brach eine der Kapseln ab und streute die schwarzen Körnchen in seine Handfläche. Dabei fiel ihm, wie von ungefähr, ein, was ihm Mutter Jeschke vor Jahr und Tag einmal über Farnkrautsamen und Sich-unsichtbar-Machen gesagt hatte. »Farnkrautsamen in die Schuh gestreut...« Aber er mocht es nicht ausdenken und sagte, während er sich auf eine neuerdings um den Birnbaum herum angebrachte Bank setzte: »Farnkrautsamen! Nun fehlt bloß noch das Licht vom ungebornen Lamm. Alles Altweiberschwatz. Und wahrhaftig, ich werde noch selber ein altes Weib... Aber da kommt sie...«
    Wirklich, als er so vor sich hin redete, kam die Jeschke zwischen den Spargelbeeten auf ihn zu.
    »Dag, Hradscheck. Wie geiht et? Se kümmen joa goar nich mihr.«
    »Ja, Mutter Jeschke, wo soll die Zeit herkommen? Man hat eben zu tun. Und der Ede wird immer dummer. Aber setzen Sie sich. Hierher. Hier ist Sonne.«
    »Nei, loaten S' man,
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