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Unterm Birnbaum

Unterm Birnbaum

Titel: Unterm Birnbaum
Autoren: Theodor Fontane
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seinem Berliner Aufenthalte, während dessen er allemal eine goldene Brille trug, keine Novität gesehen hatte, so kam er doch nie mit leeren Händen zurück, weil er sich nicht eher zufriedengab, als bis er an den Schaufenstern der Buchläden irgendwas Komisches und unbändig Witziges ausgefunden hatte. Das hielt auch nie schwer, denn es war gerade die »Glaßbrenner-oder Brennglas-Zeit«, und wenn es solche Glaßbrenner-Geschichten nicht sein konnten, nun, so waren es Sammlungen alter und neuer Anekdoten, die damals in kleinen dürftigen Viergroschen-Büchelchen unter allerhand Namen und Titeln, so beispielsweise als »Brausepulver«, feilgeboten wurden. Ja diese Büchelchen fanden bei den Tschechinern einen ganz besondern Beifall, weil die darin erzählten Geschichten immer kurz waren und nie lange auf die Pointe warten ließen, und wenn das Gespräch mal stockte, so hatte Kunicke den Stammwitz: »Hradscheck, ein Brausepulver.«
     
    Es war Anfang Oktober, als Hradscheck wieder mal in Berlin war, diesmal auf mehrere Tage, während er sonst immer den dritten Tag schon wieder nach Hause kam. Ede, der mittlerweile das Geschäft versah, paßte gut auf den Dienst, und nur in der Stunde von eins bis zwei, wo sich kaum ein Mensch im Laden sehen ließ, gefiel er sich darin, den Herrn zu spielen und, ganz so wie Hradscheck zu tun pflegte, mit auf den Rücken gelegten Händen im Garten auf und ab zu gehen. Das tat er auch heute wieder, zugleich aber rief er nach Jakob und trug ihm auf, und zwar in ziemlich befehlshaberischem Tone, daß er einen neuen Reifen um die Wassertonne legen solle. Dann sah er nach den Starkästen am Birnbaum und zog einen Zweig zu sich herab, um noch eine der nachgereiften »Franzosenbirnen« zu pflücken. Es war ein Prachtexemplar, in das er sofort einbiß. Als er aber den Zweig wieder losließ, sah er, daß die Jeschke drüben am Zaune stand.
    »Dag, Ede.«
    »Dag, Mutter Jeschke.«
    »Na, schmeckt et?«
    »I worümm nich? Is joa 'ne Malvasier.«
    »Joa. Vördem wihr et 'ne Malvesier. Awers nu...«
    »Nu is et 'ne ›Franzosenbeer‹. Ick weet woll. Awers dat 's joa all een.«
    »Joa, wer weet, Ede. Doa is nu so wat mang. Heste noch nix maarkt?«
    Der Junge ließ erschreckt die Birne fallen, das alte Weib aber bückte sich danach und sagte: »Ick meen joa nich de Beer'. Ick meen sünnsten.«
    »Wat denn? Wo denn?«
    »Na, so rümm um 't Huus.«
    »Nei, Mutter Jeschke.«
    »Un ook nich unnen in 'n Keller? Hest noch nix siehn o'r hürt?«
    »Nei, Mutter Jeschke. Man blot...«
    »Un grapscht ook nich?«
    Der Junge war ganz blaß geworden.
    »Joa, Mutter Jeschke, mal wihr mi so. Mal wihr mi so, as hüll mi wat an de Hacken. Joa, ick glöw, et grapscht«.
    Die Jeschke sah ihren Zweck erreicht und lenkte deshalb geschickt wieder ein. »Ede, du bist 'ne Bangbüchs. Ick hebb joa man spoaßt. Is joa man all dumm Tüg.«
    Und damit ging sie wieder auf ihr Haus zu und ließ den Jungen stehn.
     
    Drei Tage danach war Hradscheck wieder aus Berlin zurück, in vergnüglicherer Stimmung als seit lange, denn er hatte nicht nur alles Geschäftliche glücklich erledigt, sondern auch die Bekanntschaft einer jungen Dame gemacht, die sich seiner Person wie seinen Heiratsplänen geneigt gezeigt hatte. Diese junge Dame war die Tochter aus einem Destillationsgeschäft, groß und stark, mit etwas hervortretenden, immer lachenden Augen, eine Vollblut-Berlinerin. »Forsch und fidel« war ihre Losung, der auch ihre Lieblingsredensart »Ach, das ist ja zum Totlachen« entsprach. Aber dies war nur so für alle Tage. Wurd ihr dann wohliger ums Herz, so wurden es auch ihre Redewendungen, und sie sagte dann: »I da muß ja 'ne alte Wand wackeln«, oder: »Das ist ja gleich, um einen Puckel zu kriegen.« Ihr Schönstes waren Landpartien einschließlich gesellschaftlicher Spiele wie Zeck oder Plumpsack, dazu saure Milch mit Schwarzbrot und Heimfahrt mit Stocklaternen und Gesang: »Ein freies Leben führen wir«, »Frisch auf, Kameraden«, »Lützows wilde verwegene Jagd« und »Steh ich in finstrer Mitternacht«. In Folge welcher ausgesprochenen Vorliebe sie sich in den Kopf gesetzt hatte, nur aufs Land hinaus heiraten zu wollen. Und darüber war sie dreißig Jahr alt geworden, alles bloß aus Eigensinn und Widerspenstigkeit. Ihren Namen »Editha« aber hatte die Mutter in Dittchen abgekürzt.
    So die Bekanntschaft, die Hradscheck während seines letzten Berliner Aufenthaltes gemacht hatte. Mit Editha selbst war er so gut wie
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