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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Autoren: Jörg Maurer
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arbeitet einer mit einer richtigen Sense. Aber so hoch droben?«
    »Wenn ich mich nicht täusche, ist das die Wolzmüller-Alm. Liegt auf sechzehnhundert Meter Höhe.«
    »Dass man auf solch einer steilen Wiese überhaupt noch mähen kann, unglaublich!«
    Erneuter Wechsel des Einheitsdoppelfernrohrs, dazwischen Einheitsdoppelfernrohrlinsenputzen.

    »Almwirtschaft, klingt romantisch.«
    »Klingt so, ist es aber nicht. Ist eher anstrengend.«
    »Das glaube ich auch. Aber: Wolzmüller-Alm? Den Namen habe ich schon öfter gehört.«
    »Das wundert mich nicht, um die Alm gibt es jede Menge Gerüchte. Der alte Wolzmüller soll in den Achtzigern plötzlich stinkreich geworden sein, kein Mensch hat gewusst, wo er das viele Geld auf einmal herhatte. Später hat er die Alm allerdings verkommen lassen. Es sollen wilde Partys stattgefunden haben, bei einer davon soll er angeblich umgekommen sein.«
    »Unsaubere Geschäfte?«
    »Wahrscheinlich. Der neue Pächter, ein gewisser Ganshagel, bemüht sich sehr. Er bewirtschaftet sie aber nicht mehr klassisch. Da finden jetzt Manager-Seminare und so Schmarrn statt. Es liegt irgendwie ein Schatten auf der Alm.«
    »Vielleicht ist der Sensenmann da drüben dieser Ganshagel.«
    »Möglich. Der arme Mensch muss alles alleine machen.«
    Alle Wolkentypen dieser Welt durchquerten gerade den Himmel, der dunstige Zirkus dort oben hätte mehr als einen Blick verdient. Ein Steinadlerpärchen kreiste, ein Murmeltier pfiff, die Berggeister schnatterten in den würzig duftenden Latschen. Nach einem Stündchen Geplauder trugen sich die beiden Mediziner mit knappen Worten ins Gipfelbuch ein: Schön hier oben! Sie blätterten die Seiten zurück. Andere hatten sich mehr Mühe gegeben. Feindselig, wildzerrissen steigt die Felswand. Das Auge schrickt zurück, bang sucht es, wo es hafte. Meyer. Dann packten die beiden Mediziner ihre Rucksäcke wieder zusammen und machten sich an den Abstieg.
    »Was wurde eigentlich aus dieser Theresia? Wurde die auch in irgendetwas reinkarniert?«
    »Natürlich, schau mal da rüber, zwischen dem Kreuzeck und dem Schwarzenkopf, der kleine, kompakte Berg, das ist die Kuglerte Resl.«
    »Sie ist zu Stein geworden?«
    »Ja, so sagt man. Auch Stolz wird bestraft.«
    »Weißt du was: Da könnten wir doch nächste Woche raufgehen!«
    »Gute Idee. Von der Kuglerten Resl müsste man eine bessere Sicht auf die Wolzmüller-Alm haben als hier von der Kramerspitze.«
    »Vielleicht sehen wir mal richtige Almarbeit. Mit Buttern, Käsen und Kühe melken.«
    »Ja, klar, mit Heidi, dem Geißenpeter und dem Alpöhi, oder?«
    Lachend machten sie sich an den Abstieg. Sie sollten auch in der kommenden Woche keine richtige Almarbeit sehen. Vom Geißenpeter ganz zu schweigen.

4
Im Finnischen gibt es den Begriff kesken puu , das ist der Platz unter dem tiefsten Holzbrett in der Sauna, also ganz tief unten, nicht mehr unterbietbar, unter aller Kanone, das absolute No-Go, der letzte Wagen der Geisterbahn.
    Wie sieht jemand aus, der einen Auftragskiller sucht? Hat er dicht beieinanderliegende Augen? Ist sein Blick gehetzt, verschlagen, lauernd? Schleicht er in den Industrievierteln der Vorstädte herum und umklammert mit schweißnassen Händen das Blutgeld, das aus einem prallen Bündel schmutziger Scheine besteht? Geht sein Atem unruhig und rasselnd, zieht er die Mundwinkel menschenverachtend nach unten? Entstellt, verwahrlost, so lahm und ungeziemend, dass Hunde bellen, hinkt er wo vorbei  …? Nein, er sieht eher so aus wie Marlene Schultheiss. Die sitzt gerade in der kleinen Wohnküche am Esstisch und schiebt den leeren Teller langsam von sich weg. Ihr Mann hockt ihr geistesabwesend gegenüber, sie wirft ihm einen kleinen, böse blitzenden Blick zu. Peter Schultheiss ist mit dem Essen noch nicht fertig, er scharrt und kratzt mit der Gabel auf dem Porzellan herum, sie schließt die Augen und formuliert einen lautlosen, obszönen Fluch. Sie wünscht ihn zur Hölle. Er hat die Zeitung neben den Teller gelegt und blättert darin herum. Er tut so, als ob er liest. Denn auch ihm scheint ihr Anblick unerträglich zu sein. Sie fragt ihn erst gar nicht, ob es ihm geschmeckt hat. Sie haben schon seit Wochen nicht mehr als das Nötigste miteinander geredet. Wozu auch. Es gibt schon lange kein gemeinsames Thema mehr. Es gibt nur noch Dutzende von Gründen, den anderen inbrünstig zu verachten. Sie leben völlig isoliert, sie sind auf sich allein gestellt, sie sind ganz auf ihren Hass konzentriert. Er hat
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