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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg
Autoren: Haruki Murakami
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Mülleimer zusammen. Wir rannten alle zu ihm hin und riefen: »Was ist denn los?« Ich dachte, er wäre eben krank. Auf eine andere Idee bin ich damals gar nicht gekommen. »Können Sie gehen?« fragten die Kollegen, aber weil es nicht danach aussah, schickten wir über Funk nach einer Bahre.
    Herr Takahashi sah furchtbar aus. Er konnte nicht sprechen. Wir legten ihn auf die Seite und lockerten seine Krawatte. Was hatte er nur Fürchterliches? … Er sah wirklich sehr krank aus.
    Wir trugen ihn nach unten ins Stationsbüro und forderten einen Rettungswagen an. Ich fragte Herrn Toyoda, an welchen Ausgang der Krankenwagen kommen würde. Dafür gibt es Vorschriften, deshalb fragte ich. Aber Herr Toyoda lallte nur etwas. Das kam mir komisch vor, aber ich erklärte es mir so, dass er vor Aufregung nicht richtig sprechen konnte.
    Jedenfalls rannte ich zum Ausgang A 11. Ja, bevor ich Herrn Takahashi hinauftrug, rannte ich erst mal selbst dorthin, um auf den Krankenwagen zu warten und ihm Zeichen zu geben. Vor dem Ministerium für Handel und Industrie.
    Auf dem Weg zum Ausgang begegnete ich einem Beamten von der Hibiya-Linie. »Am Hibiya-Bahnhof in Tsukiji hat es anscheinend eine Explosion gegeben«, erzählte er mir. Mehr Einzelheiten wisse er nicht. Auch auf unserem Bahnhof war am 15. März ein verdächtiger Gegenstand gefunden worden. »Das ist vielleicht ein komischer Tag heute«, dachte ich, während ich am Ausgang A 11 auf den Rettungswagen wartete.
    Aber kein Krankenwagen ließ sich blicken. Bald kamen auch andere Beamte aus dem Stationsbüro nach oben. »Immer noch kein Krankenwagen? Was sollen wir jetzt machen?« fragten sie. Wir beschlossen, Herrn Takahashi schon mal nach oben zu tragen. Ich war ja die ganze Zeit draußen, aber die zwei oder drei Leute aus dem Stationsbüro erzählten mir, dass inzwischen unten allen reihum schlecht wurde. Eigentlich wollten sie nicht wieder runter. Später kam dann ja raus, dass es am Inhalt dieser Plastikbeutel lag.
    Aber Herr Takahashi musste auf jeden Fall nach oben gebracht werden. Also gingen wir alle noch einmal runter. Im Büro saß eine Dame, der auch schlecht war, auf dem Sofa an der Tür. Herrn Takahashis Bahre lag im Raum auf dem Boden. Er bewegte sich überhaupt nicht mehr, war wie erstarrt. Sein Zustand hatte sich sehr verschlechtert, und er war kaum noch bei Bewusstsein. Die Kollegen versuchten ihn anzusprechen, aber er reagierte nicht. Zu viert trugen wir ihn auf der Bahre nach oben.
    Wir warteten und warteten, aber kein Rettungswagen. Wir wurden furchtbar unruhig. Warum kam er nicht? Inzwischen weiß ich, dass die ganzen Krankenwagen nach Tsukiji gefahren waren. Man hörte die Sirenen in der Ferne, aber keine kam in unsere Richtung. Ich wurde fast wahnsinnig, weil ich dachte, sie wären aus Versehen woandershin gefahren. Am liebsten wäre ich hingerannt und hätte »Hierher!« geschrien. Ich bin tatsächlich ein Stück in die Richtung gerannt, aus der die Sirenen heulten, dann wurde mir schwindlig … Ich bildete mir ein, ich hätte zu wenig geschlafen.
    Als wir mit Herrn Takahashi auf der Trage oben am Ausgang ankamen, standen schon Journalisten dort. Eine Reporterin machte ein Foto nach dem anderen von Herrn Takahashi. Anscheinend auch von mir. Gereizt, weil der Krankenwagen nicht kam, schrie ich sie an: »Keine Fotos!« Ihr Assistent trat dazwischen, und ich sagte auch zu ihm: »Keine Fotos!« Andererseits ist es natürlich die Aufgabe von Fotografen, Fotos zu machen.
    Dann kam ein Bus von einem Fernsehsender. Später habe ich erfahren, dass es TV Tokyo war. Jemand fragte mich, was passiert sei. Ob er von TV Tokyo war, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls war ich nicht in der Stimmung für ein Interview, solange der Krankenwagen nicht da war.
    Mittlerweile war mir aufgefallen, dass die Leute vom Fernsehen einen großen Bus hatten. Also verhandelte ich mit ihnen: »Sie haben einen Wagen. Bitte, bringen Sie diesen Mann ins Krankenhaus.« Wahrscheinlich klang meine Stimme ärgerlich, aber ich weiß es nicht mehr, weil ich so aufgeregt war. Keiner wusste, was eigentlich los war, und es gab einiges Hin und Her. Sie waren nicht gleich einverstanden, und mit dem Palavern verging wieder Zeit.
    Endlich klappten sie dann doch den Rücksitz runter, und wir legten Herrn Takahashi und noch einen anderen Angestellten [Herrn Ohori], dem es auch nicht gut ging, darauf. Er war die ganze Zeit mit Herrn Takahashi zusammen gewesen und hatte angefangen, sich zu übergeben, als er oben
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