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Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern
Autoren: Fred Secombe
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Annie Jones.“ Die ehemals zahnlose Sopranistin verneigte sich etwas und offenbarte mir ihr glänzendes Gebiß.
    „Sie werden feststellen, daß wir hier sehr freundliche Leute sind, sehr gemütlich, wenn Sie wissen, was ich meine.“ Sie schnurrte und klimperte mit den Augenbrauen, als wollte sie eine Mae-West-Parodie abgeben. Ich hatte Mühe, meine Hand aus ihrer schweißfeuchten Umklammerung zu lösen.
    Eine nach der anderen wurden mir die anderen Chordamen vorgestellt, doch als die Vorstellung vorüber war, saßen sie alle immer noch da, lärmend wie aufgeregte Schulmädchen. Allmählich wurde die Sache klaustrophobisch.
    „Ich komme, Mr. Secombe“, eilte mir Idris der Milchmann mit einem mächtigen Basso profundo zu Hilfe, in dem das Gezwitscher unterging.
    Draußen vor der Kirche sagte er: „Ich dachte mir, Sie könnten etwas Hilfe gebrauchen. Die Chordamen geraten immer etwas in Aufregung, wenn wir einen neuen Vikar bekommen.“
    „Danke, Idris“, sagte ich. „Ich dachte schon, ich würde bis zur Teezeit hierbleiben müssen. Übrigens, ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich Sie Idris nenne.“
    „Jeder nennt mich so. Das werden Sie verstehen, wenn ich Ihnen meinen Nachnamen nenne. Ich heiße Shoemaker. Mein Großvater war Deutscher und kam in die Täler, um sich einen Job als Schmied in den Minen zu suchen. Im Ersten Weltkrieg wurde der arme alte Mann interniert. Danach änderte er seinen Namen in Shoemaker, das englische Wort für seinen deutschen Namen.“
    „Das war für Sie sicherlich ein Vorteil in dem Krieg, den wir gerade hinter uns haben, Idris.“
    „Ich bin in Pontywen geboren und aufgewachsen. Für die Leute hier hätte es keinen Unterschied gemacht, wie mein Name gelautet hätte — vorausgesetzt natürlich, ich hätte nicht Hitler geheißen.“ Sein Gelächter über seinen eigenen Witz hallte durch die Sabbatstille des Kirchenvorplatzes.
    „Wenn Ihnen die Frage nichts ausmacht“, sagte ich, „wie kommt es, daß Sie nicht bei der Armee oder unten in den Minen sind?“
    „Das liegt an meinen Füßen“, erwiderte er. Er deutete auf seine riesigen Füße, die auseinanderstanden wie die von Charlie Chaplin. „Sie sind ein bißchen verformt. Ich war enttäuscht, daß ich nicht einrücken konnte, aber meine Frau war ganz zufrieden. Sie müssen einmal kommen und sie kennenlernen. Sie mußte früher nach Hause, um das Essen vorzubereiten.“
    „Das würde ich gern“, sagte ich.
    „Kommen Sie doch am Freitag abend , und essen Sie Fisch und Chips mit uns. Mr. Price hat sich das nie entgehen lassen.“
    „Ich würde mich freuen, es ebenso zu halten“, erwiderte ich. „Herzlichen Dank.“
    Als ich die Tür der Mount Pleasant View Nummer dreizehn öffnete, streichelte der Duft des Sonntagsbratens meine Nüstern. Es roch wie zu Hause, nicht wie in meiner letzten Unterkunft. Dort hatte die Wirtin noch einen anderen Untermieter, der einige Zeit in Indien verbracht hatte. Die Folge war, daß wir zu allem Curry bekamen. Das war einer der Gründe, warum ich die Gemeinde verlassen hatte.
    „Würde es Ihnen etwas ausmachen, im mittleren Zimmer mit mir zu essen?“ erkundigte sich Mrs. Richards nervös.
    „Nicht im mindesten“, erwiderte ich. „Ich freue mich über die Gesellschaft.“
    Sie strahlte und sagte: „Ich merke schon, daß wir gut miteinander auskommen werden — wie ein Haus, das einen Kamin hat.“
     
    Der Lammbraten war reichlich bemessen für zwei Leute mit Lebensmittelkarten — zumal meine Wirtin die meinen zu spät für das Sonntagsessen bekommen hatte.
    „Wie haben Sie es geschafft, einen so schönen Braten aufzutreiben, Mrs. Richards?“ fragte ich.
    „Nun, ich habe ein Wort mit Mr. Protheroe gewechselt, dem Metzger. Ich kenne ihn schon, seit er als kleiner Junge im Geschäft seines Vaters mitgeholfen hat. Ganz unter uns Pastorentöchtern, ich glaube, er bekommt Fleisch von diesem gewissen Markt, von dem immer die Rede ist.“
    „Dem schwarzen, meinen Sie“, sagte ich.
    „Genau“, fuhr sie fort. „Ich weiß nicht, wo der zu finden ist, aber ich freue mich über ein zusätzliches Stück, wenn ich es brauche.“
    Es sah aus, als ob sich die Mount Pleasant View Nummer dreizehn als ein Paradies der Zufriedenheit erweisen würde.
    Pünktlich um halb sechs verließ ich das Haus, um meinen ersten Gottesdienst in der Pfarrkirche anzutreten. Es war ein großes, turmloses Gebäude, geschwärzt und ohne Charakter. Am westlichen Ende saß eine kleine Turmspitze auf dem Dach,
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