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Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern
Autoren: Fred Secombe
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in der eine einzige Glocke hing. Die Kriegsvorschriften hatten sie zu gnädigem Schweigen verdammt. Doch nun, als ich mich der Kirche näherte, drang ihr unmusikalisches Scheppern, von einem wildgewordenen Quasimodo betätigt, in raschem Stakkato an meine Ohren.
    In der Kirche begegnete mir ein schmächtiger, verhutzelter Mann in den Sechzigern, gehüllt in einen Talar, der sich als „Hezekiel Evans, Lektor“ vorstellte.
    „Ich werde die erste Lesung übernehmen, Sie die zweite“, verkündete er.
    „Schön“, sagte ich, „mir liegt es sowieso nicht, die Anheizernummer zu machen.“
    Mein schwächlicher Versuch, einen Witz zu machen, verdorrte unter seinem verständnislosen Blick. Er war ein sehr ernsthafter Diener Gottes.
    Er führte mich zur Pfarrsakristei. Es war ein düsteres, kahles Gewölbe, karg möbliert mit einem großen Holztisch, der als Pult diente, einem eisernen Safe und ein paar harten, steifen Kirchenstühlen. An einer Wand hingen drei verblaßte Fotos von früheren Pfarrern, ebenfalls hart und steif und schier am Ersticken in ihren hohen Kragen.
    „’ängen Sie Hihre Sachen an diesen Haken.“ Er deutete auf einen von drei Haken an der Wand, die den Fotografien gegenüberlag. „Die anderen beiden gehören dem Pfarrer. Hich fürchte, hich muß mich jetzt zu den hoipolloi in der Chorsakristei gesellen.“
    Es war offensichtlich, daß die Anheizernummer sehr amüsant sein würde. Ich packte meine Tasche aus, entledigte mich meiner Jacke und hängte sie gerade an den richtigen Haken, als der Pfarrer in der Tür erschien.
    „Ah, Secombe“, sagte er schwer atmend. „Wie ich sehe, hat Evans Ihnen schon Ihren Haken gezeigt. Vermutlich hat er sich darüber beschwert, daß er sich in der Chorsakristei umziehen muß.“
    „Mehr oder weniger“, erwiderte ich.
    „Eher mehr als weniger, schätze ich“, knurrte der Pfarrer. „Also. Sie leiten die Liturgie und übernehmen die zweite Lesung. Kündigen Sie auch die Choräle und Psalmen ab. Ich werde die Bekanntmachungen für die Woche verlesen und predigen. Sie sitzen mir gegenüber auf der Orgelseite. Ein Gebetbuch werden Sie auf Ihrem Pult finden.“
    Beinahe hätte ich „Aye-aye, Sir“ gesagt und schneidig salutiert. Statt dessen sagte ich nur sanftmütig: „Danke, Herr Pfarrer.“
    Die Orgel ließ die Eingangsmusik beeindruckend erschallen, ganz anders als die Leierkastenmusik des Harmoniums in St. Padarn’s. Um exakt siebzehn Uhr neunundfünfzig stellte sich ein gutgedrillter Chor aus Männern und Jungen vor der Pfarrsakristei auf, gefolgt von Mr. Evans, der mit seinem Amtszeichen am blauen Band über seinem Chorhemd sehr wichtig aussah.
    Der Pfarrer gab ein seltsames, nasales Greinen von sich. Es war das Sakristeigebet. Als der Mißklang mit einem unsicheren Amen des Chores endete, traten wir durch die Sakristeitür hindurch ins Geschehen ein. Hinein in die Kirche gingen wir, angeführt von einem stämmigen Jungen, der ein Prozessionskreuz emporhielt.
    Durch das Westfenster strömte die Abendsonne herein und beleuchtete eine dichtgedrängte Gemeinde, die mich samt und sonders mit aufmerksamem Interesse zu beäugen schien. Als ich mich der Stufe zu meiner Sitzbank an der Orgelseite näherte, trat mein Fuß statt auf den Boden auf den Saum meines Talars. Mein Körper stürzte vorwärts, und meine Nase stand in unmittelbarer Gefahr, mit der Zierschnitzerei an der Seite des Pultes der Sitzbank zusammenzustoßen. Ich klammerte mich an den oberen Rand des Pults, um mich abzustützen, und stieß dabei das mächtige Gebetbuch, das bis zu diesem Augenblick dort geruht hatte, hinab. Es tat einen gewaltigen Schlag, als es zu Boden fiel. Als ich mich bückte, um es aufzuheben, löste sich unter meinen Händen der Buchdeckel ab. So tauchte ich mit dem Buchdeckel in einer Hand und dem Rest des Gebetbuchs in der anderen wieder hinter dem Pult auf. Die Gemeinde und der Chor schienen amüsiert zu sein. Der Pfarrer nicht. Dann trat eine fürchterliche Stille ein. Die Orgel war verstummt. Alles stand, und nichts geschah. Ich sah den Pfarrer an. Er starrte mich finster an und deutete auf die Liedertafel.
    In meiner Verlegenheit hatte ich vergessen, daß ich den Choral anzusagen hatte. Um die Liste hervorzusuchen, blieb keine Zeit mehr. Ich spähte zur Tafel hinüber.
    „Lied Nummer einhundertundfünfundvierzig“, sagte ich hastig. Der ergraute Chorsänger neben mir stieß mir seinen Ellbogen in die Rippen.
    „Das ist der Psalm“, zischte er. „Der Choral
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