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Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern
Autoren: Fred Secombe
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ich.
    „Ich trinke den Rest von dem Wein, wenn es für den Pastor zuviel ist“, sagte er eifrig.
    „Ich werde es schon schaffen, danke“, erwiderte ich und reichte ihm den Kelch.
    Er war gerade im Begriff, sich den gesamten Rest des Weines in die Kehle zu schütten, als ich den silbernen Becher seiner Hand entriß.
    Bertie blickte beleidigt drein. Er spürte, daß ein liebgewordenes Vorrecht nun ein Ende hatte.
    Als der Gottesdienst vorüber war, hatte er seine Fassung wiedergewonnen. Er kam in die Sakristei, bevor ich Zeit gehabt hatte, das Gebet mit dem Chor zu beenden. Kaum war das „Amen“ verklungen, als er laut sagte:
    „Wie ich sehe, haben Sie den Macbeth gefunden, den ich Ihnen aufs Pult gelegt habe.“
    Der Mann steckte voller Überraschungen.
    „Was für einen Macbeth ?“ fragte ich verwirrt.
    „Sie wissen schon“, sagte er. „Der, den Sie im Gottesdienst benutzt haben.“
    Das Rätsel vertiefte sich.
    „Tut mir sehr leid, Mr. Owen“, erwiderte ich, „aber ich habe nichts dergleichen getan.“
    „Natürlich haben Sie das“, antwortete er und sah mich an, als ob ich den Verstand verloren hätte. „Sie haben doch daraus gesungen, als Sie damit nach vorn zum Altar gingen.“ Ich wollte gerade antworten, daß ich noch nie ein Werk von Shakespeare mit in die Kirche genommen und ganz gewiß niemals daraus gesungen hätte. Dann dämmerte es mir. Er sprach von dem Merbecke-Notensatz für den Abendmahlsgottesdienst.
    „Oh!“ sagte ich. „Sie meinen Merbecke.“
    „Das ist es“, erwiderte er. „Ich wußte doch, daß es etwas mit Shakespeare zu tun hatte.“
    Vom Chor, der diesem Varietegeplänkel schweigend zugehört hatte, ließ sich ein mühsam beherrschtes erheitertes Prusten vernehmen. Bertie jedoch merkte offensichtlich nicht, daß er die Quelle ihrer Erheiterung war. Das Gelächter ging über seine ehrwürdigen weißen Locken hinweg.
    „Kommt, Jungs, das reicht“, sagte einer der Bässe. Es war ein hochgewachsener, drahtiger Mann in den Dreißigern, der mehr Haare in den Nasenlöchern hatte als auf dem Kopf. „Ich bin Idris der Milchmann — normalerweise bin ich vormittags nicht hier, aber heute habe ich mir extra für diesen Gottesdienst freigenommen.“ Sein Händedruck zermalmte mir die Knochen.
    Nachdem der Chor die Roben abgelegt hatte, stellte er mir die anderen Mitglieder vor, wobei er zu jedem den Beruf nannte. Es waren: Mr. Mills, ein Stahlarbeiter mit seinen zwei Söhnen; Mr. Beyon, ein dicker, schon älterer Versicherungsangestellter; Mr. Paxton, ein pensionierter Bergmann mit blauen Narben im Gesicht und einer Rose im Knopfloch; Mr. Golding, ein aktiver Bergmann in den Dreißigern, ohne Narben und ohne Rose; und schließlich der Sohn des Milchmannes, Percy, ein Zehnjähriger mit frischem Gesicht.
    Die Damen des Chores hatten in den beiden vordersten Reihen Platz genommen, im Gesang geleitet von Mrs. Collier, der Frau des Organisten. Sie war eine kleine, zierliche Dame mit Brille und einer Stimmgewalt, die in keinem Verhältnis zu ihrem Körperbau stand. Ihre Hauptrivalin, was die Stimmgewalt anging, war eine kleine, untersetzte Dame, die meine Aufmerksamkeit erregte, indem sie jedesmal vor dem Singen ihre Zahnprothese in ihr Taschentuch wickelte.
    Bertie Owen zählte die Kollekte an einem Tisch, der mit Büchern und anderen hinderlichen Dingen übersät war. Unterstützt wurde er dabei von dem anderen Kirchenältesten Charlie Hughes, einem älteren Mann mit Hörgerät.
    „Wieviel, sagtest du, war das Kleingeld, Charlie?“ erkundigte sich Bertie mit der zusätzlichen Lautstärke, derer sich gefühllose Menschen bei Schwerhörigen bedienen.
    „Sei doch mal still, du dämlicher Mistkerl!“ rief er. „Tut mir leid, Mr. Secombe“, sagte er dann, als er sich meiner Gegenwart erinnerte. „Das ist das zweite Mal, daß er mich drausgebracht hat. Jetzt muß ich wieder ganz von vorn anfangen.“
    „Kann ich irgendwie helfen?“ fragte ich. „Das ist nicht Ihr Job, Herr Vikar“, sagte Bertie. „Charlie und ich werden schon klarkommen. Gehen Sie nur nach Hause zu Ihrem Mittagessen.“
    Ich ergriff meine Aktentasche, verließ die Sakristei und sah mich der Schar der Damen auf den ersten beiden Kirchenbänken gegenüber, angeführt von der Frau des Organisten. Sie boten einen überwältigenden Anblick. Keine von ihnen konnte unter Fünfzig sein.
    „Wir sind uns bereits begegnet, nicht wahr?“ sagte Mrs. Collier. „Nun, hier sind die übrigen Damen des Chores. Dies ist Mrs.
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