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Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern
Autoren: Fred Secombe
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wieder hineingehen, solange Sie sie nicht beseitigt haben.“
    Meine erste Reaktion war große Erleichterung, daß sich keine Katastrophe ereignet hatte. Doch der Erleichterung folgte auf dem Fuße die Besorgnis darüber, daß von mir erwartet wurde, die Maus zu beseitigen. Physische Heldentaten waren noch nie meine Stärke gewesen, und Begegnungen mit Nagetieren waren mir ein Greuel.
    Etwa sechs Monate zuvor hatte ich mit einer Ratte ein Duell mit Blicken ausgetragen. Unser theologisches College war in die entlegene Domstadt von St. David’s evakuiert worden, nachdem eine Landmine die College-Gebäude in Cardiff zerstört hatte. Die meisten Studenten waren im alten Kanonikat untergebracht, das seit einiger Zeit leerstand. Wir schliefen unter sehr beengten Bedingungen in behelfsmäßigen Schlafsälen; zwischen unseren unbequemen, schmalen Betten standen kleine Schubladenkommoden, die unsere Habseligkeiten und allerlei Leckerbissen enthielten, die unsere liebevollen Eltern uns mitgegeben hatten, um unseren klösterlichen Speiseplan zu ergänzen. Mir hatte meine Mutter als besonderen Schmaus für dieses Trimester eine Schachtel mit verschiedenen Käsesorten spendiert.
    Während der Nächte hörten wir Geräusche in unserem Schlafsaal: ein Rascheln hinter der Fußleiste und das verdächtige Kratzen von Zähnen auf Holz. Doch bisher hatten wir noch kein Tier zu Gesicht bekommen. Dann eines Nachts wurde ich in den frühen Morgenstunden von einem Geräusch ganz in meiner Nähe geweckt. Stocksteif im Bett liegend, öffnete ich die Augen und erblickte über mir auf meiner Schubladenkommode eine Ratte. Um ein Klischee von Ethel M. Dell auszuborgen: „Unsere Blicke begegneten sich und blieben aneinander haften.“
    Dieses gemeinsame Erlebnis kann nur von kurzer Dauer gewesen sein. Mir schien es jedoch wie eine Ewigkeit. Ich weiß nicht, wie lange es der Ratte vorkam, doch sie war die erste, die die Begegnung abbrach. Sie machte kehrt und schoß hinter die Kommode. Ich stieß einen Schrei aus, der die Stille des Kathedralenhofes erschütterte. Mein Erlebnis führte dazu, daß mit großer Effizienz Rattengift angewendet wurde... was zur Folge hatte, daß einige Wochen später ein solcher Gestank im Raum lag, daß die Dielen herausgenommen werden mußten, um die Kadaver zu entfernen.
    Und nun bat mich Mrs. Richards also, einer Maus gegenüberzutreten, die sich möglicherweise als Ratte entpuppen würde. Vielleicht war es sogar eine große Ratte. Jedenfalls, wie sollte ich sie umbringen? Ich hatte einmal gesehen, wie ein Student, Sohn einer Bauernfamilie, eine Ratte im Kamin des Eßzimmers in St. David’s in die Enge trieb. Er versuchte sie zu töten, indem er auf sie trat, und sie sprang nach seiner Kehle. Zu seinem Glück verfehlte sie ihn, doch sie war im Nu aus dem Eßzimmer verschwunden.
    „Wie soll ich sie beseitigen?“ fragte ich jämmerlich. „Hier ist nichts, womit man das machen könnte.“
    Sie eilte zum Kamin und zog einen Schürhaken hervor. „Da“, sagte sie hastig, „damit kriegen Sie sie.“
    Sie drückte mir den Schürhaken in die Hand und schob mich auf ihre Wohnzimmertür zu.
    Ich war noch nie weniger begierig gewesen, einen Raum zu betreten — nicht einmal das Behandlungszimmer eines Zahnarztes. Ein paar Augenblicke lang stand ich mit der Hand auf dem Türknauf davor, holte tief Atem und stieß dann abrupt die Tür auf, als wollte ich einen ungesehenen Feind überraschen, den Schürhaken en garde wie Errol Flynn in einer seiner Mantel-und-Degen-Rollen.
    Mrs. Richards knallte die Tür hinter mir zu. Ich war mit der Kreatur allein, was immer es sein mochte. Der Raum lag im Halbdunkel, und ich mußte mir den Weg zum Lichtschalter bahnen. Dabei kam ich an den Eßzimmerstuhl und stieß ihn um in meiner Eile, das Licht einzuschalten.
    „Haben Sie sie?“ fragte die Stimme hinter der Tür ängstlich.
    „Ich habe nur einen Ihrer Stühle umgestoßen, das ist alles“, rief ich. Ich hoffte, daß sie nicht von mir erwartete, einen laufenden Kommentar abzugeben. Es reichte mir völlig, mit der Maus fertig werden zu müssen, falls es eine war.
    Ich schaltete das Licht ein.
    „Können Sie sie sehen?“ fragte die Stimme draußen.
    „Ich habe gerade erst das Licht angemacht“, sagte ich. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir beide still sind. Nur so können wir sie beseitigen.“
    „Sie haben recht“, sagte Mrs. Richards. „Ich werde still sein wie ein Mäuschen.“
    Darauf fiel mir keine Antwort ein.
    Ich
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