Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern
Autoren: Fred Secombe
Vom Netzwerk:
handelte sich um eine einzelne Reihe brauner Steinhäuschen, die sich an einen gefährlich steilen Hang klammerten und auf die Kohlenhalden auf der anderen Seite des Tales hinausblickten. Mrs. Richards wohnte in Nummer dreizehn. Ein unheilvolles Omen, dachte ich, während der Pfarrer gebieterisch den Türklopfer betätigte.
    Doch die lächelnde alte Dame, die uns öffnete, wirkte alles andere als unheilvoll. Sie trug Schwarz zum Gedenken an ihren Mann, der seit zwanzig Jahren tot war, und war so klein, daß selbst der Pfarrer neben ihr wie ein Hüne wirkte. Ihr weißes Haar war säuberlich zu einem großen Knoten gebunden, aus dem Haarnadeln in alle Richtungen ragten. Sie sah aus wie eine stets belustigt lächelnde Version von Königin Victoria.
    „Das ist also unser neuer Vikar.“ Bei ihr lächelten auch die Augen, nicht nur der Mund, im Gegensatz zu Mrs. Llewellyn.
    „Ich komme nicht mit hinein, Mrs. Richards“, sagte der Pfarrer. „Sehen Sie zu, daß er rechtzeitig zur Andacht um acht Uhr dreißig in der Kirche ist, ja?“
    „Nun, Herr Pfarrer, wenn ich mit seinem Vorgänger Mr. Price fertig geworden bin, dann werde ich sicherlich auch mit diesem jungen Mann fertig.“ Wieder lächelte sie mich an.
    Arthur Price, mein Vorgänger in Pontywen, war mit mir zusammen auf dem College gewesen und hatte sich dort vor allem durch seine Anhänglichkeit an sein Bett hervorgetan. Oft war er mit dem Pyjama unterm Talar, das Gesicht zur Tarnung seines unrasierten Zustandes eingepudert, zur frühmorgendlichen Andacht in der College-Kapelle erschienen. Nach zwei Jahren bei Kanonikus Llewellyn mußte er diese Gemeinde einem Nervenzusammenbruch nahe verlassen haben.
    Das Haus war makellos. Ich bekam das vordere Wohnzimmer als mein Reich. Zwei leere Messinghülsen von Granaten aus dem Ersten Weltkrieg schimmerten zu beiden Seiten eines säuberlich mit Eisenschwärze gestrichenen Kamins. In ihnen spiegelte sich die Abendsonne, die über den fernen Kohlenhalden hing. Ein großer Sessel mit Blumenmuster füllte eine Ecke an dem Erkerfenster aus, während gegenüber in der anderen Ecke ein Blumenständer stand, komplett mit Schusterpalme.
    Nachdem ich in dem kleinen Hinterzimmer, das mir als Schlafraum dienen würde, meinen Koffer ausgepackt hatte, brachte ich meine Collegebücher hinunter in mein Zimmer und stellte sie auf den leeren Bücherregalen neben dem Kamin auf. Auf dem gehäkelten Tischtuch stand ein Tablett mit einer Tasse und Untertasse und einem Teller mit zwei Stückchen eines Kuchens, den meine Mutter „Ein-Stück-noch-Kuchen“ nannte. Es herrschte eine Atmosphäre, die mich für den kühlen Empfang im Pfarrhaus entschädigte.
    Ein behutsames Klopfen an der Tür kündigte das Kommen von Mrs. Richards an, ausgerüstet mit einer kleinen Teekanne.
    „Finden Sie sich zurecht, Mr. Secombe?“ erkundigte sie sich.
    „Sehr gut, danke. Ich bin sicher, daß ich mich hier sehr wohl fühlen werde.“
    „Das freut mich“, sagte sie. „Ich habe Ihnen etwas Tee zum Kuchen mitgebracht. Übrigens, lassen Sie sich von der rezeptlosen Art des Pfarrers nicht einschüchtern. Er bellt mehr, als er beißt.“
    Offensichtlich stand Mrs. Richards mit komplizierten Wörtern ähnlich auf Kriegsfuß wie die Mrs. Malaprop aus Sheridans Rivalen.
    Nach dem Tee und dem köstlichen, hausgemachten Kuchen beschloß ich, mich an die Arbeit für die Predigt zu machen. Es war gut, über sein Bellen Bescheid zu wissen. Vielleicht, dachte ich, wird er mit der Zeit meinen Wunsch, mein Bestes zu geben, zu schätzen wissen.
    Ich hatte gerade drei Absätze über das Gleichnis vom verlorenen Sohn niedergeschrieben, als im Nebenzimmer ein gewaltiger Tumult entstand, gefolgt von einem heftigen Klopfen an meine Tür.
    „Mr. Secombe, bitte kommen Sie sofort.“ Mrs. Richards’ Stimme klang gehetzt.
    Ich schoß zur Tür und fand meine Wirtin in einem Zustand heller Aufregung. Ihr sonst bleiches Gesicht hob sich weißer als weiß von dem Tiefschwarz ihrer Witwenkleidung ab.
    „Was ist los, Mrs. Richards?“ fragte ich ängstlich in Erwartung einer schrecklichen Nachricht.
    „Es ist eine —“ Sie stockte, bevor sie das entsetzliche Wort herausbrachte. „Es ist eine Maus.“ Sie flüsterte das Wort mit verängstigter Vertraulichkeit. „Sie steckt unter dem Feuerrost im mittleren Zimmer. Ich las gerade das South Wales Echo, als dieses Biest über meinen Fuß rannte und im Kamin verschwand; ich sage Ihnen, ich wäre beinahe kollaboriert. Ich kann da nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher