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Unter die Haut: Roman (German Edition)

Unter die Haut: Roman (German Edition)

Titel: Unter die Haut: Roman (German Edition)
Autoren: Susan Andersen
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schließlich seinen Höhepunkt erreicht hatte, wenn der Mond als volle runde Scheibe am Himmel stand. Zu diesem Zeitpunkt war der Jäger, der sich in seinem Körper eingenistet hatte, von solch wildem Hass erfüllt, dass er das Gefühl hatte, er würde explodieren, wenn er nichts unternahm. Und dann kam die Läuterung. Er suchte sich ein geeignetes Opfer, folgte der Frau nach Hause, drang gewaltsam in ihre Wohnung ein und ließ all die Wut an ihr aus, die sich über den Monat hinweg in ihm angestaut hatte. Danach ging es ihm eine Weile gut. Er fühlte sich befreit, kam wieder ins Gleichgewicht.
    Doch jetzt kehrte die Wut, die sich nach dem Überfall auf Bess so wunderbar in Wohlbehagen aufgelöst hatte, in unverminderter Stärke zurück. Wie konnte sie es wagen, ihn auf diese Weise um seinen wohlverdienten Seelenfrieden zu bringen? Verdammt noch mal, sie hatte es gewollt – sie alle wollten es. Frauen waren Schlampen. Man brauchte sich doch bloß mal anzusehen, wie sie dauernd mit dem Hintern wackelten und einem ihre Titten vor die Nase hielten. Oder wie sie in diesen knappen Fähnchen ihre Körper zur Schau stellten. Bess war da keine Ausnahme.
    Und jetzt, nachdem sie bekommen hatte, was sie verdiente, glaubte sie wohl, sie könnte sich vor ihrer Verantwortung drücken, indem sie sich vom Acker machte. Aber wenn sie dachte, sie könnte einfach sterben und ihm damit die ganze Schuld in die Schuhe schieben, dann hatte sie sich geirrt.
    Vorsichtig öffnete er die Wohnungstür einen Spalt und warf einen Blick nach links und rechts, bevor er auf den Flur trat. Er ging am Aufzug vorbei, zog die Brandschutztür zum Treppenhaus auf und schlüpfte hindurch. Während er die Treppe hinuntereilte, zog er sich die Skimaske vom Kopf und stopfte sie in seine Hosentasche. Dann fuhr er sich mit zitternden Fingern durch die schweißnassen Haare und fluchte leise vor sich hin.
    Er musste sich schleunigst eine andere Maskierung zulegen, er machte sich ja lächerlich. Es war so schwül, dass man kaum atmen konnte, und er lief in Wollsachen herum. Bevor der Druck erneut so stark wurde, dass er die Kontrolle verlor, bevor die Stimme in seinem Kopf ihn in der nächsten Vollmondnacht wieder hinaustrieb, sollte er sich etwas Leichteres besorgen.
    Draußen auf der Straße musste er erst einmal gegen den ungewohnten Impuls ankämpfen, einfach loszurennen, und er zwang sich zu einem gelassenen Schlendern. Die Handschuhe entsorgte er in einem Müllcontainer in einer Einfahrt am Ende der Straße. Als er wieder auf den Bürgersteig trat, sah er sich nach allen Seiten um, um sicherzugehen, dass ihn auch niemand dabei beobachtet hatte. Sein Blick fiel auf ein Münztelefon, das eine Kreuzung weiter unter einer der Straßenlampen an der Hauptstraße stand. Er zögerte.
    Er hatte keine Ahnung, was mit der lieben Bess los war, aber dass sie starb, wollte er nicht. Wo blieb denn da der Spaß? Immerhin hatte sie eine gewisse Verantwortung – sie sollte sich an ihn erinnern. Und es wäre eine verdammt flüchtige Erinnerung, wenn er zuließ, dass sie einfach einen Abgang machte. So wie sie ausgesehen hatte, war allerdings genau das ihr Schicksal, falls sich nicht rasch jemand um sie kümmerte.
    Er ging zu dem Telefon, fischte ein Fünfundzwanzigcentstück aus seiner Hosentasche, legte sein T-Shirt um die Sprechmuschel und wählte die Nummer des Notrufs.
    Okay , dachte er, als er kurze Zeit später wieder einhängte. Das war deine gute Tat für heute. Du hast dich wie ein richtiger kleiner Pfadfinder verhalten … Und jetzt sieh zu, dass du so schnell wie möglich von hier verschwindest.
    Er würde in die ruhigeren Seitenstraßen abtauchen und sich durch das dunkle Wohnviertel bis zu der Stelle durchschlagen, an der er in sicherer Entfernung seinen Wagen geparkt hatte. Sobald er den Schauplatz des Geschehens weit genug hinter sich gelassen hatte, würde er an der ersten Bar halten, an der er vorbeikam, und sich zur Feier der vollbrachten Tat einen großen, kühlen Drink genehmigen.
    Doch dann erwies sich seine Neugier als stärker, und er vergaß seine gewohnte Vorsicht. Fast gegen seinen Willen schlug er erneut den Weg zu dem Apartmenthaus ein, in dem Bess wohnte, angelockt vom Blaulicht und von den heulenden Sirenen der Krankenwagen, die auf der Hauptstraße angerast kamen und in die dunkle Nebenstraße einbogen.
    Er war nicht der Einzige. Die Sirenen, die in die Stille der Nacht hereinbrachen, trieben einen Haufen aufgeregter Anwohner aus ihren
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