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Unter die Haut: Roman (German Edition)

Unter die Haut: Roman (German Edition)

Titel: Unter die Haut: Roman (German Edition)
Autoren: Susan Andersen
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bestimmen konnte. Das war nicht richtig.
    Nicht dass sie das einfach so hingenommen und nichts unternommen hätte. Nein, sie und Jaz arbeiteten auf jeweils ihre Weise daran, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.
    Sie hatten sich beide in der Gesprächsgruppe, zu der sie einmal gegangen waren, nicht besonders wohl gefühlt, aber es half ihnen, miteinander zu reden, ebenso wie die Einzelgespräche, die sie führten. Ihr Unbehagen in der Gruppe hatte vielleicht daher gerührt, dass keine von ihnen tatsächlich vergewaltigt worden war. Für Ivy bestand ein wesentlicher Unterschied zwischen einer versuchten und einer tatsächlich vollzogenen Vergewaltigung. Sie hatte die größten Schwierigkeiten gehabt, vor den anwesenden Frauen, denen eine ganze andere Form von Gewalt angetan worden war, über das Gefühl tiefer Verletzung zu sprechen, das dieses Erlebnis bei ihr hinterlassen hatte. Ihr war das Schlimmste erspart geblieben, was die anderen Frauen nicht von sich sagen konnten.
    Vincent war ungeheuer verständnisvoll und rücksichtsvoll gewesen, in dieser Hinsicht konnte sie sich wirklich nicht beklagen. Er schien zu verstehen, dass sie ihre Beziehung nicht einfach wie bisher fortführen konnte. Nacht für Nacht war er neben ihr unter die Bettdecke geschlüpft und hatte nichts weiter getan, als sie einfach nur in die Arme zu nehmen und zu halten.
    Nichtsdestoweniger hatte Sex vom ersten Augenblick an eine große Rolle in ihrer Beziehung gespielt, und Ivy fragte sich unwillkürlich, wie lange Vincents Geduld wohl reichen würde.
    Ihr war klar, dass unter den gegebenen Umständen die Zeit ihr wichtigster Verbündeter war, um die seelischen Wunden heilen zu lassen, die Tyler Griffus ihr geschlagen hatte. Sie hasste diesen Dreckskerl für das, was er ihr angetan hatte. Und sie hasste sich selbst, weil sie zuließ, dass dieses Erlebnis sie zum Feigling machte.
    Sie konnte kaum glauben, dass sie es zum ersten Mal, seit sie zwölf war, als angenehm empfunden hatte, als sie vor einer Woche ihre Tage bekommen hatte. »Gott sei Dank« war ihr erster Gedanke gewesen. Damit hatte sie wenigstens eine Ausrede, falls Vincent gerade in dieser Nacht einen Annäherungsversuch unternehmen wollte. Gleich darauf hatte sie sich wegen dieser Überlegung verachtet.
    Wie immer in Zeiten großer Belastung hatte sie sich in den Schoß ihrer Familie geflüchtet. Wenn sie Vincent dabei ausgeschlossen hatte, so hatte sie das damit entschuldigt, dass ihre Familie der einzige feste Bezugspunkt in ihrem Leben war. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass Familie etwas Unveränderliches war – bis heute Nachmittag, als sie feststellen musste, dass nichts so blieb, wie es war.
     
    Sie hatten gerade Besuch von Keith und Anna Graham, als das Telefon läutete. Ivy stand auf und nahm ab. »Ja?«
    »Ivy, ich bin’s«, sagte Sherry, und die Ungeduld in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Lass mich rein.«
    Ivy drückte auf den Türöffner.
    Wenige Augenblicke später klingelte ihre Cousine an der Wohnungstür. Sie marschierte zielstrebig an Ivy vorbei, als diese ihr öffnete, um gleich darauf abrupt in der Tür zum Wohnzimmer stehen zu bleiben. »Ach du lieber Himmel, du hast Besuch. Tut mir Leid, Ive, ich hätte vorher anrufen sollen.«
    »Sei nicht albern. Keith kennst du ja schon.« Ivy machte Sherry mit Anna bekannt und sah sie anschließend fragend an. Ihre Verzweiflung war förmlich mit Händen greifbar. »Was ist los, Sher?«
    »Terry geht weg«, sagte Sherry und fing an zu weinen. Voller Scham, weil sie sich vor Fremden so gehen ließ, drehte sie sich um. »Ivy«, sagte sie mit leiser, trauriger Stimme, »er will nach San Francisco ziehen.«
    Ivy entschuldigte ihre Cousine und sich bei den anderen, fasste Sherry am Arm und führte sie ins Schlafzimmer. Sie schloss die Tür hinter ihnen und dirigierte Sherry zum Bett. »Setz dich.« Obwohl sie glaubte, den eigentlichen Grund zu kennen, fragte sie; sie wollte wissen, welche Erklärung er sich wohl ausgedacht hatte. »Warum zieht Terry weg?«
    »Mein Gott, wer weiß das schon? Er behauptet, es handle sich um eine große berufliche Chance.«
    »Aber das glaubst du nicht?«
    »Nein. Ja. Ach verdammt, ich weiß es nicht.« Sherry fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und sah Ivy an. »Ich weiß nur, dass ich nicht will, dass mein Bruder Hunderte von Kilometer weit wegzieht.«
    Ivy wollte das auch nicht, aber im Gegensatz zu ihrer Cousine verstand sie Terrys Beweggründe. »Sherry, das tut mir Leid.
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