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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio
Autoren: Ana Veloso
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Drehbuch sieht vor, dass du mich jetzt fragst, ob mir eine Erfrischung genehm wäre. Oder dass dein Personal mich das fragt. Wo sind sie überhaupt?«
    »Wer?«
    »Die Dienstboten? Du wirst doch diesen Palast hier kaum allein in Schuss halten, oder?«
    »Es ist Sonntag, sie haben alle frei. Aber bitte, António, lass uns doch keine Zeit mit solchem Geplänkel vergeuden. Komm herein, bedien dich aus der Hausbar und erzähle mir alles, jedes Detail, haarklein.«
    »Ich muss dich erst einmal ganz genau anschauen. Du siehst gut aus.«
    »Du auch. Du humpelst gar nicht mehr.«
    »Nein, es ist dank meiner Gymnastik wieder alles so, wie es vorher war. Mein Gedächtnis zum Glück auch.«
    »Wieso, was war denn mit deinem Gedächtnis?«
    »Ich hatte es verloren. Vorübergehend.«
    »Aber doch nicht etwa, nachdem wir …«
    »Nein. Der Unfall war ja schon viel früher passiert.«
    Während sie all diese kleinen Neuigkeiten austauschten, die vor lauter Nervosität nur so aus ihnen herauspurzelten, führte Caro António in den Salon. Sie bat ihn mit einer Geste, Platz zu nehmen, dann entschuldigte sie sich kurz, um den Kaffee zu holen. Sie kam mit einem Tablett zurück und stellte es auf den Couchtisch. Als sie die Tassen füllte, bemerkte António zweierlei: Ihre Hände zitterten wie verrückt. Und sie trug keinen Ehering mehr.
    Befangen schwiegen sie einen Moment. Beiden lagen so viele Fragen auf der Seele, dass sie gar nicht wussten, wo sie anfangen sollten.
    »Du zuerst«, forderte Caro ihn auf.
    »Na gut.« Er räusperte sich, rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her und begann mit einer sehr spröden Zusammenfassung der Ereignisse, wie er sie erlebt hatte. »Ich schwebte nach dem Schuss aus der Pistole deines Bruders wochenlang zwischen Leben und Tod. Als ich wieder genas, erzählte mir mein Vater, dass du bei dem Angriff gestorben wärst, weil du unglücklich gestürzt warst. Ich packte meine Sachen und ging in die USA , wo ich hoffte, dich vergessen zu können. Vor kurzem erst habe ich beschlossen, wieder nach Paris zu kommen. Es ist quasi meine zweite Heimat, meine Mutter ist ja Französin. Weißt du, nach dem schrecklichen Skandal und deinem vermeintlichen Tod fühlte ich mich überall heimischer als in Rio.«
    »Oh, mein Gott! Wie konnten sie das tun? Warum haben sie dich glauben lassen, ich sei tot?«
    »Vielleicht aus denselben Gründen, aus denen deine Familie dich hat glauben lassen, ich sei tot. Das haben sie doch, oder?«
    »Ja«, sagte Caro matt. Das war der niederträchtigste Verrat, mit dem sie es je zu tun bekommen hatte. Es war so unglaublich, dass es dafür doch sicher einen anderen, plausibleren Grund gegeben haben musste als die alte Feindschaft zwischen ihren Eltern. Lieber hatten sie ihre Tochter ein uneheliches Kind zur Welt bringen lassen, als dass sie einen unliebsamen Mann heiratete? Das ergab doch überhaupt keinen Sinn.
    »Caro?«
    »Oh, entschuldige. Ich habe nur nachgedacht. Ja, um auf deine Frage zurückzukommen, ja, sie haben mir erzählt, dass Eduardo dich erschossen hätte, in einem Anfall brüderlichen Ehrgefühls. Ich war ebenfalls eine Weile außer Gefecht gesetzt, und dann … merkte ich, dass ich schwanger war. Da haben sie mir nahegelegt, nach Boavista zu gehen. Unser Landhaus. Ich war dort praktisch abgeschnitten von Neuigkeiten aus der Welt, oder vielmehr habe ich mich selber …« Sie bemerkte sein ungläubiges Starren. »Was ist?«
    »Dein Kind ist von mir?«
    »Aber ja.«
    »Dasselbe Kind, das du heute Mittag im Wägelchen herumgeschoben hast?«
    »Ja.«
    »Das macht ja alles noch viel infamer.«
    »Ja.«
    »Kann ich ihn – oder sie? – sehen?«
    »Natürlich. Er schläft, aber das macht nichts. Dafür, dass er seinen Vater kennenlernt, würde es sich ja lohnen, ihn aufzuwecken.«
    Er folgte ihr in das Kinderzimmer. Für die hübsche Einrichtung, die vielen Rasseln und Stofftiere oder die hellblauen Tapeten hatte er keinen Blick. Er ging direkt auf das Bettchen zu und bewunderte das Kind mit andächtiger Ehrfurcht. Caro zog die Gardinen ein Stück beiseite, damit António seinen Sohn besser in Augenschein nehmen konnte. Wie das wohl sein musste, nicht nur nach zwei Jahren die totgeglaubte Frau wiederzufinden, sondern auch gleich noch einen Sohn dazuzubekommen? Sie lächelte still vor sich hin. Es war rührend, wie er sich über das Bett beugte und sich sichtlich zusammenreißen musste, um das Kind nicht herauszunehmen und mit Küssen zu bedecken.
    »Wie heißt er
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