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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio
Autoren: Ana Veloso
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es nur neun Stationen bis Buttes-Chaumont. Auch Augusto war beeindruckt von der Größe und der Ausstattung des Studios, in dem Bel drehte. Er kam sich darin klein und unbedeutend vor, während das imposante Ambiente auf Bel den gegenteiligen Effekt zu haben schien. Sie fühlte sich gleich doppelt wichtig, jetzt, da sie in einem richtigen Studio in einem richtigen Film mitwirkte.
    »Erinnerst du dich noch an deine erste Rolle?«, fragte er sie am Abend ihres ersten Drehtages.
    Bel verdrehte die Augen und deutete die Bewegung des Besenschwingens an. »Sooo lange ist es ja noch nicht her.«
    »Aber es kommt mir lange vor. Dir nicht?«
    »Eigentlich nicht. Ich habe sogar heute während des Drehs noch daran gedacht. Weißt du, was ich mir da überlegt habe?«
    »Was?«
    »Dass mein eigenmächtiges Handeln mir doch damals dazu verholfen hat, überhaupt wahrgenommen zu werden.«
    »Stimmt. Und?«
    »Und … man könnte es ja hier wiederholen.«
    »Langweilt dich die Arbeit schon? Du bist erst einen Tag dabei.«
    »Nein, es ist kein bisschen langweilig. Aber ich habe die weibliche Hauptdarstellerin gesehen. Sie ist viel schlechter als ich, und sie hat dicke Wabbelbeine.«
    »Sie ist bestimmt blond.«
    »Ja, und?«
    »Du wirst nicht die Hauptrolle in einem Film bekommen, in dem eine Weiße als Hauptfigur vorgesehen ist.«
    »Ich will ja auch gar nicht die Hauptrolle. Ich will, dass man mich wahrnimmt.«
    »Dann spiel doch erst einmal deinen Part. Vielleicht nimmt man dich ja auch wahr, weil du zuverlässig bist und immer gute Leistungen ablieferst.«
    »Augusto, wie willst du jemals ein guter Agent sein, wenn du nicht auch mal extraordinäre Ideen hast?«
    »Einer von uns muss ja wohl ordinär sein, oder?«
    Bel brach in lautes Gelächter aus, das Augusto als kränkend empfand. Er zog eine Schnute und wollte sich verziehen, als Bel ihm nachrief: »Jetzt sei doch nicht so. Komm her, lass uns beide ein bisschen weniger extra und ein klein wenig mehr … ordinär sein.«
    Damit zog sie ihn zu sich heran und rieb sich auf eine Weise an ihm, die ihn erbeben ließ.
    Ihr Kuss – und alles was danach folgte – erfüllte Augusto mit großem Glück. Nicht etwa, weil seine körperlichen Gelüste endlich befriedigt wurden, sondern weil er sich einer Sache jetzt ziemlich sicher war: Bel war wieder ganz die Alte. Und als solche war ihr Aufstieg unaufhaltsam, war der Weg nach ganz oben praktisch vorgezeichnet.

43
    C aro stand in der Tür ihres Appartements und hörte das Rasseln der Fahrstuhlketten. Der Etagen-Zeiger über der Gittertür des Aufzugs bewegte sich im Kreis und stand bereits auf der Zwei. Oh Gott, sollte sie nicht doch lieber schnell hineingehen und so tun, als sei sie mit irgendetwas furchtbar Dringendem beschäftigt? Dem Anfeuern des Kamins oder dem Sortieren von Büchern? Nein, entschied sie, das hätte etwas so aufgesetzt Unaufgeregtes, dass er es ihr doch nicht abnehmen würde.
    Das Gitter des Fahrstuhls öffnete sich. Die Welt hörte nicht auf, sich zu drehen. Caro hörte nicht auf, zu atmen. António sah genauso aus, wie er kurz zuvor, in dem Bistro, schon ausgesehen hatte.
    »Das war schnell«, sagte sie.
    »Wenn du zwei Jahre für schnell hältst«, entgegnete er, und beinahe im selben Augenblick lagen sie einander in den Armen.
    »António. Wie konnte das alles geschehen?«, fragte sie, als sie sich nach ihrer minutenlangen Umarmung voneinander gelöst hatten.
    »Willst du mich nicht erst hineinbitten?«
    »Oh. Ja, komm rein.«
    Er betrat die Wohnung und sah sofort, dass sie nicht nur sehr geräumig, sondern auch mit viel Geschmack eingerichtet war. Von der riesigen Diele gingen ein langer Flur und mindestens fünf Türen ab, von denen zwei offen standen und den Blick auf einen herrschaftlichen Salon und ein feudales Esszimmer freigaben. »Schön hast du es hier. Sieht aus, als hättest du geerbt«, meinte er schmunzelnd.
    »Habe ich auch.«
    »Oh, verzeih. Es ist doch niemand, der …«
    »Wie man es nimmt. Meine Großmutter ist gestorben. Sie stand mir sehr nahe, aber sie war auch schon steinalt, so dass es nicht unbedingt überraschend kam. Eine Überraschung war nur die Höhe meines Erbes.«
    »Mein Beileid, Caro.«
    »Tja, es gab da noch einen anderen Tod zu betrauern«, schnitt sie ohne Umschweife das Thema an, das ihn sicher ebenfalls am brennendsten interessierte.
    »Zwei, um genau zu sein.«
    »Was haben sie getan, António? Wie konnten sie nur?«
    »Caro, wo sind deine Umgangsformen geblieben? Das
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