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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01
Autoren: Douglass Sara
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ihn erreicht hatte, war Ramu auf dem letzten feuchten Wegstück ausgeglitten und hatte sich einen Fuß verletzt. Da lag er nun, und Aschure erkannte an dem bleichen, verzerrten Gesicht, daß er große Schmerzen litt.
    Ohne lange nachzudenken, eilte Aschure zu ihm zurück und vergaß darüber sogar, daß sie Schra noch in den Armen hielt. Wenn sie dem Mann aufhelfen könnte, gelänge es ihnen vielleicht doch noch, den Wald vor dem Feind zu erreichen.
    Aber dafür war es zu spät. Mit gezücktem Schwert erreichte Axis den Liegenden. Aschure war nun nahe genug, um zu erkennen, daß Ramus linker Fuß in einem seltsamen Winkel vom Bein abstand. Offensichtlich hatte er ihn nicht nur verrenkt, sondern gebrochen, denn ein Stück weißen Knochens stach durch die dunkle Haut. »O nein!« stöhnte die junge Frau, und sie wäre wohl weitergelaufen, wenn Goldfeder sie nicht in diesem Moment erreicht und ihr beide Hände auf die Schultern gelegt hätte.
    »Nicht, Aschure!« schrie Goldfeder und konnte den Blick nicht von dem Geschehen wenden.
    Der Zauberpriester lag hilflos da. Axis hatte den rechten Fuß auf die Brust des Mannes gestellt und hielt ihm die Schwertspitze an die Kehle. Der Stahl drang durch die Haut, und ein blutiges Rinnsal lief Ramu über den Hals. Beide Männer atmeten schwer.
    »Euch ist es ja wirklich gelungen«, knurrte der Axtherr und bedachte die junge Frau mit einem verächtlichen Blick, »Eure Mutter noch zu übertreffen, Aschure! Während diese nur bei Nacht und Nebel mit einem gewöhnlichen Hausierer durchbrannte, habt Ihr Euren Vater ermordet und seid mit einem Unaussprechlichen auf und davon. Und was Belial angeht …«
    »Laßt ihn gehen«, entgegnete sie dringlich und mit angespannter Stimme. Ihr Blick galt allein dem Awaren, der sich unter der Schwertspitze kaum zu rühren wagte. »Ich hatte wirklich nicht vor, Euren Leutnant zu töten.«
    »Ihr habt Euren Vater ermordet«, erwiderte Axis kalt, »Belial aber lebt noch.«
    »Oh!« entfuhr es der jungen Frau, und sie fand etwas von ihrem Selbstvertrauen zurück, straffte die Schultern und sah dem Axtherrn ruhig ins wütende Gesicht. »Da bin ich aber froh, daß Euer Leutnant noch lebt. Richtet ihm bitte aus, daß die Sache mir sehr leid tut.«
    »Aschure«, krächzte Ramu und drehte den Kopf ein wenig in ihre Richtung. »Nehmt das Kind und lauft. Ihr könnt Euch immer noch in Sicherheit bringen. Überlaßt mich meinem Schicksal.« Sein Brustkorb hob und senkte sich. Er holte mehrmals tief Luft, um gegen die furchtbaren Schmerzen im Bein anzukämpfen. Danach wandte der Aware sich an seinen Bezwinger. »Ihr laßt sie gehen, nicht wahr, Axtherr? Schließlich habt Ihr Schra das Leben nicht gerettet, um sie jetzt abzuschlachten.«
    »Damit hat er vollkommen recht«, bestätigte die silberhaarige Frau, die jetzt hinter Aschure hervortrat. »Ihr müßt fort, und zwar jetzt.« Als die junge Frau immer noch zögerte und den Blick nicht von dem hilflosen Zauberer wenden konnte, drängte Goldfeder: »Auf, auf! Nehmt die kleine Schra und lauft. Ihr Vater wartet auf sie. Aschure, ich beschwöre Euch, eilt!«
    Irgend etwas in der Stimme der alten Frau riß Aschure in die Wirklichkeit zurück. Ohne ein weiteres Wort oder einen Blick zurück lief sie mit dem kleinen Mädchen auf den Wald zu. Und kaum hatten sie ihn betreten, da waren sie zwischen den dichten Bäumen den Blicken entschwunden.
    Goldfeder ging langsam auf den Krieger zu. Sie wollte den Mann zu keiner unbedachten Handlung herausfordern. Wenn Axis sich von ihr bedroht fühlte, würde er nicht zögern, mit der Klinge zuzustoßen. Wenige Schritte vor ihm blieb sie stehen. Der Axtherr starrte sie an, und seine schwarze Uniform mit den gekreuzten Äxten auf der Brust löste Erinnerungen in ihr aus. Wie lange war es her, daß sie zum letzten Mal einen Axtschwinger gesehen hatte? Und nun stand sie dem Anführer der Elitetruppe gegenüber. Sein Fuß und sein Schwert entehrten einen der mächtigsten Zaubererpriester, den die Awaren seit Generationen hervorgebracht hatten. Der Axtherr schien noch nicht alt an Jahren zu sein. Was mochte den Bruderführer dazu veranlaßt haben, einen so jungen Mann mit einem so bedeutenden Amt zu betrauen? Ihr Blick huschte kurz über Axis’ Gesicht. Aber für eine genauere Betrachtung blieb ihr jetzt keine Zeit. Ihre ganze Sorge galt Ramu.
    Goldfeder verbeugte sich so vornehm, wie ihre Mutter es ihr in der Kindheit beigebracht hatte. »Axtherr, möge Artor stets seine schützende
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