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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum
Autoren: Ines Thorn
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zurückkommen, weil sie dich nicht mehr suchen muss.«
    Er legte ihre Hand auf sein Herz und seine auf ihr Herz.
    »Sie schlagen noch im selben Takt«, sagte Amber. Jonah nickte ernst. »Natürlich tun sie das. Das werden sie immer tun.«
    Er nahm ihre Hand, strich zärtlich über jeden einzelnen Finger, dann sagte er: »Lass uns in die Weinberge gehen.«
    Amber schüttelte den Kopf. »Nein, das ist zu gefährlich. Mein Vater oder Emslie könnten uns sehen.«
    Jonah runzelte die Stirn. »Du hast es dem Master noch nicht gesagt?«
    Betreten sah Amber zu Boden. »Ich bin heute erst angekommen, Jonah. Drei Jahre war ich weg. Man kann nicht alles gleich am ersten Tag bereden. Außerdem gab es ein kleines Fest zu Ehren meiner Ankunft.«
    Sie überlegte, ob sie Jonah erzählen sollte, was zwischen Steve und ihr geschehen war. Doch sie hatte Angst. Jonah zählte zu den Eingeborenen, die in den Weinbergen arbeiteten. Er lebte mit seinem Clan, dem Damala-Totem, auf dem Land von Ambers Vater. Der Clan hieß nach dem Keilschwanzadler, in der Sprache der Aborigines »Damala« genannt. Er war ihr Ahne.
    Der Winzer, dessen Großvater vor hundert Jahren von Schlesien nach Australien ausgewandert war, hatte das Land gekauft. Niemand hatte dabei auf die Aborigines Rücksicht genommen, die dieses Stück Erde seit Jahrtausenden besiedelten.
    Jonah sah hinauf zur Krone des Teebaumes und fragte: »Hast du es dir anders überlegt? Liebst du mich nicht mehr? Sag es ruhig. Ich wäre nicht böse, nur traurig.«
    Amber schmiegte sich an ihn, fuhr ihm mit der Hand durch das starke, drahtige Haar. »Ich liebe dich, Jonah. Es ist mir gleichgültig, was die Leute sagen.«
    Jonah schüttelte zweifelnd den Kopf. »Es gibt keine weiße Frau in ganz Barossa Valley, die einen Aborigine geheiratet hat. Und in ganz Australien wirst du keine Frau finden, die einen Aborigine heiratet und gemeinsam mit ihm ein so großes Gut leitet.«
    Amber lachte. Sie nahm den Kranz und warf ihn hoch in die Luft. »Na und? Dann werden wir eben die Ersten sein. Einer muss ja den Anfang machen.«
    Plötzlich hörten sie Musik. Aus einem Radio erklang Rock ’n’ Roll. Der neue Tanz war gerade in Amerika erfunden worden und hatte sich schon auf den Weg nach Australien gemacht. »Maybellene«, sang Amber und wirbelte mit Tippelschritten im Kreis herum. Jonah versuchte, es ihr gleichzutun, und er stellte sich sehr viel geschickter dabei an. Doch dann verstummte die Musik. Nur der Abendwind rauschte leise in den Blättern des Teebaums und raunte im Weinlaub.
    »Warst du oft tanzen in Adelaide?«, fragte Jonah.
    Amber schüttelte den Kopf. »Nein, Jonah. Nie. Das weißt du doch. Wie soll ich singen oder tanzen, wenn du nicht in meiner Nähe bist?«
    Sie lachte und sah ihm offen in die Augen, so ohne jedes Arg, dass er ihr glaubte.
    »Lass uns zur Hütte des Jagdpächters gehen«, schlug Amber vor. Sie fasste Jonahs Hand und zog ihn hinter sich her.
    Schweigend liefen sie auf den Wald zu, der sich hinter den Weinbergen erhob.
    Als sie die Hütte erreicht und darin eine alte Petroleumlampe entzündet hatten, kramte Jonah erneut in seiner Hosentasche. Erst jetzt sah Amber, dass er sein bestes Hemd und seine feinste Hose trug.
    »Hast du dich für mich so schön gemacht?«, fragte sie.
    Jonah nickte ernst. Dann holte er einen Stein von ungewöhnlicher Farbe und Form aus der Tasche und reichte ihn ihr.
    »Es ist ein Stück vom Uluru. Oder Ayers Rock, wie die Weißen ihn nennen. Meine Tante hat es mitgebracht, als sie auf ihrer Songline dorthin kam. Der Stein ist ein Teil der Regenbogenschlange.«
    Amber sah ihn an und legte eine Hand auf ihr Herz, das vor Freude so heftig schlug, als wollte es durch die Rippen springen. »Es ist ein großes Geschenk, das du mir machst. Fast schon ein Hochzeitsgeschenk«, sagte sie, und ihre Stimme klang seltsam dunkel dabei.
    Wieder nickte Jonah sehr ernst. »Du bist weggegangen, um etwas über das Land, das den Aborigines anvertraut ist, zu lernen. Das machen nur wenige weiße Frauen. Nun bist du zurückgekommen und wirst mit deinem Wissen das Land gemeinsam mit uns behüten.«
    Amber lächelte. »Ja«, sagte sie. »Das werde ich. Ich verspreche es dir. Ich werde unser Land behüten, so gut ich es nur kann. Ich werde die Ahnen achten, wie dein Volk es tut. Mein Volk soll lernen, dass beides geht: eure Ahnen und unsere Ahnen.«
    »Und wir werden Mann und Frau sein und beweisen, dass auch das geht: ein Aborigine-Mann und eine weiße Frau.«
    »Wir
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