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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
Autoren: Robert Brack
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Ruderpartie auf der Spree?«

    Nacht. Silhouetten von Bäumen ziehen vorbei. Der Mond wird verdeckt von eilig ziehenden, schwärzlich geballten oder grau zerfetzten Wolken, gelegentlich bricht sein fahles Licht durch, nur kurz. Wie ein lang gestreckter, riesiger Urfisch schiebt sich der flache Kahn durch das dunkle, ab und zu silbrig aufblitzende Wasser des Kanals. Keine Stadt, kein Dorf, keine Häuser oder Höfe, das Bellen der Hunde und alarmierte Schnattern der Gänse ist verstummt. Die letzte Schleuse liegt weit zurück. Geschmeidige Bugwellen breiten sich nach beiden Seiten zum Ufer hin aus.
    Der Motor der Péniche »El Atacante« tuckert gleichmäßig. Sie hat sich einen mächtigen Berg Kohle einverleibt, der sich als hügeliger Umriss aus dem Laderaum wölbt. Keine Lichter leuchten außer den Positionslaternen. Die Fahne am Heck flattert als schwarzer Fetzen im Fahrtwind. Der Kapitän hat das Ruderhaus verlassen und sich zu seinen Passagieren gesetzt, die unter dem grünen Licht an der Steuerbordseite die Beine baumeln lassen. Sie haben sich dicke Wolldecken umgelegt und atmen gierig die frische Luft ein.
    Klara hat sich ihre letzte Manoli-Zigarette angesteckt, Ludwig Rinke pafft eine Zigarre, der bärtige Kapitän zündet sich in aller Ruhe seine Pfeife an. Er ist Spanier und legt Wert darauf, nur eine Strickmütze als Kopfbedeckung zu tragen. Sein Steuermann, der jetzt das Schiff auf Kurs hält, ist gleichberechtigtes Besatzungsmitglied. Die beiden Passagiere habenden Tag unter Deck verbracht, in einem Holzverschlag unter der Kohle. Nach Einbruch der Dunkelheit durften sie herauskommen und bekamen etwas zu essen, Bohneneintopf und Brot, und Wein zu trinken.
    »Man wird von ganz allein schwarz, wenn man hier mitfährt«, sagt Rinke.
    »Vielen Dank übrigens«, sagt Klara.
    » De nada «, sagt der Kapitän. »Ihr seid willkommen.«
    »Wo sollen wir jetzt hin?«, fragt Klara nach einer Weile des Schweigens. »Wir haben so viele Tote hinter uns, man möchte kaum noch einen Fuß an Land setzen … alles riecht nach Mord …«
    »Ich kann euch bis nach Frankreich mitnehmen«, schlägt der Kapitän vor.
    »Man erwartet mich in Kopenhagen …«, sagt sie.
    »Wir finden Möglichkeiten für dich«, sagt der Kapitän.
    »… die erwarten einen Bericht … und sie erwarten, dass ich persönlich dort wieder aufkreuze.«
    »Um dich zusammenzustauchen, weil du eigenmächtig gehandelt hast«, sagt Rinke. »Und dann ab nach Russland in die Peter-und-Paul-Festung.«
    »Die ist doch längst ein Museum. Und nicht nur Bakunin saß darin, sondern auch Lenin.«
    »Vom Häftling zum Kerkermeister ist es ein kurzer Weg, man muss nur den Schlüssel nehmen.«
    »Wir können deinen Brief zur Post bringen, wenn er die Wahrheit beschreibt.«
    »Ihr könnt es vorher lesen. Aber eben das ist ja das Problem: Ich fürchte, sie werden meinen Bericht verfälschen. Es geht nur noch um die große Schlacht zwischen den Parteien. Um Politik, nicht um die Bewegung. Sie werden weiterhin Lügen über van der Lubbe verbreiten, weil ihnen der Mensch egal ist, es geht nur um Taktik. Für die Kommunisten muss er ein Strohmann der Nazis sein, der zur großen Verschwörung der Machtübernahme gehört, sonst würde ihr jämmerliches Versagen allzu offensichtlich. Und für die Nazis muss er ein Kommunist sein, um ihren entfesselten Terror zu rechtfertigen. Manche werden sagen, er war ein verrückter Einzeltäter,nur um davon abzulenken, dass es viel verrückter war, nichts zu tun.«
    »Ich hätte es kaum besser ausdrücken können«, sagt Rinke. »Wenn der Bericht für die Kommunisten nichts taugt, können wir ihn nach Holland weitergeben«, schlägt der Kapitän vor. »Das Netz der Flussschiffer ist weit verzweigt und es fahren mehr Kähne unter schwarzer Flagge als man denkt.«
    »Das wäre Verrat«, sagt Klara.
    »Kommt darauf an, wen man verrät«, meint Rinke. »Mitunter ist Verrat angebracht. Ich zum Beispiel werde auch jemanden verraten.«
    »Wen?«
    »Johann Caspar Schmidt, den Mann, der nur sich selbst als Maßstab gelten lässt. Du hast recht, Klara, wenn du sagst, wir haben so viele Tote hinter uns, mir genügt einer …«
    »Otto.«
    »Ja, eben. Er ist nicht für sich gestorben.«
    »Nein, das ist er nicht«, sagt Klara leise. »Und all die anderen auch nicht.«
    »Für sich selbst sterben, wäre ohnehin ein Widerspruch, oder?«
    »Verstehe ich nicht.«
    »Ich könnte mir angesichts eines aufgebrochenen Geldschranks voller Goldbarren eine Kugel
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