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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond
Autoren: N Vosseler
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missgünstig gesonnene Gesellschaft. Der einzige Mensch, der uneingeschränkt zu ihm halten würde – bis dass der Tod sie schiede. Er bewies sogar eine gehörige Portion Selbstironie, indem er eine Skizze anfertigte, auf der Isabel auf dem Rücken eines Löwen ritt und diesen am Zügel hielt – dieser Löwe trug Richards Gesichtszüge. Er liebte sie – aber nicht so, wie er Maya geliebt hatte. Und seine Hoffnung, Isabel würde Mayas Spuren in seinem Herzen auslöschen, war eine Illusion geblieben.
    Das alles hätte er in diesem Arbeitszimmer in Cairo erzählen können, an diesem Septembertag des Jahres 1869. Aber er tat es nicht. Das, was ihm auf der Seele lag, kam ihm in der Tat sentimental vor. Zu voll von Gefühl, und das war noch nie sein Spezialgebiet gewesen. Daher schüttelte er nun den Kopf und beugte sich vor, um die Asche seines Zigarillos am Rand des Kristallschälchens abzustreifen.
    »Nein, ich war in Boulogne und Vichy – mit Swinburne übrigens, dem Dichter. Dann in Turin und Brindisi und befinde mich nun auf dem Weg nach Syrien. Ich habe den Posten des Konsuls in Damaskus angenommen. Isabel ist schon dort und bereitet alles für meine Ankunft vor. Da lag Cairo eben auf dem Weg.«
    Er erging sich in Schilderungen über den endlosen, langweiligen Drill während des Krimkrieges; war er doch zu spät dort eingetroffen, um noch in wirkliches Kampfgeschehen verwickelt zu werden. Von seiner großen Safari nach Afrika sprach er, wo er und sein Begleiter John Hanning Speke den Tanganjikasee gefunden hatten. Malaria und andere tropische Krankheiten ließen Speke vorübergehend erblinden, Burton zeitweise unfähig werden, weiterzumarschieren, sodass er von seinen einheimischen Lastenträgern getragen werden musste. Auf dem Rückweg unternahm Speke ohne Richard einen Abstecher, bei dem er einen weiteren See entdeckte und zu Ehren der Königin Victoriasee taufte.
    Nachdem sich Richard in Sansibar von den Folgen dieser Expedition erholt hatte, musste er in England feststellen, dass der vorausgereiste Speke bereits alle Meriten für ihre gemeinsame Expedition eingeheimst hatte. Ein heftiger Streit entbrannte zwischen den beiden, in dem Richards schlechter Ruf – ungeachtet dessen, dass ihm keine Schuld am unglücklichen Ausgang der Reise nach Berbera nachgewiesen werden konnte – und Spekes untadeliger Leumund die entscheidenden Faktoren für die öffentliche Meinung und die der Royal Geographic Society waren. Verbittert brach Richard auf, um Nordamerika zu bereisen, während Speke nach einer weiteren Expedition behauptete, die Quellen des Nils gefunden zu haben. Burton bestritt dies lautstark, und eine öffentliche Debatte der beiden früheren Freunde, nun erbitterte Kontrahenten, vor der Royal Geographic Society wurde anberaumt. Zu dieser kam es jedoch nie: Speke starb bei der Jagd durch einen Schuss aus seiner eigenen Waffe. Ob es ein Unfall war oder Selbstmord, konnte nie geklärt werden.
    Richard reiste in diplomatischer Mission nach Westafrika und in den Kongo, war Konsul im brasilianischen Santos, erkundete von dort aus Südamerika, schrieb und veröffentlichte Buch um Buch, Artikel um Artikel. Und nun also Damaskus. Rastlos. Vom Teufel getrieben. Wie von jeher und wie wohl bis an das Ende seines Lebens.
    Maya lauschte begierig, doch je länger er sprach, desto erschütternder empfand sie den fiebrigen Glanz in seinen Augen, der nicht von einer Krankheit herrührte, die Leere dahinter, den hässlichen, bitteren Zug um seine Lippen, wenn er davon sprach, wie ihm immer und überall Unrecht widerfahren sei. Das war nicht mehr der gut aussehende, stolze, widerborstige Student, der ihr Kinderherz hatte höher schlagen lassen. Nicht der verwegene junge Soldat der britischen Armee in Indien, der mit seinen Küssen in ihr etwas geweckt hatte, das erst mit Rashad seine Erfüllung gefunden hatte. Dieser Mann, der ihr gegenübersaß, war verbraucht und alt, verschlissen in seinem Kampf mit der Welt, die ihm niemals das geben würde, was er von ihr begehrt hatte, solange er denken konnte: Anerkennung.
    Männer, die sich auf die Suche nach dem Ursprung eines Flusses machen, suchen in Wahrheit nach dem Ursprung von etwas anderem, das ihnen selbst schmerzlich fehlt, obwohl sie wissen, dass sie es niemals finden werden, fiel ihr sein letzter Satz damals in Aden ein. Du weißt, dass du es nie finden wirst, nicht wahr Richard? Dich treibt ein Hunger um, der nie gestillt werden wird. Egal, was das Leben dir noch zu geben
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