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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond
Autoren: N Vosseler
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vermag – es wird dir nicht genug sein. Niemals.
    Sie war fast erleichtert, als er aufstand, um sich zu verabschieden, und doch voller Wehmut. Einen Augenblick standen sie einander gegenüber, bis er die Hände nach ihr ausstreckte, sie doch wieder sinken ließ, mutlos, als sei es ohnehin vergeblich. Mit langen Schritten ging er hinüber zum Schreibtisch und nahm seinen Hut. »Danke für deine Zeit, Maya. Nein, bemüh dich nicht, ich finde allein hinaus.« Es war wie in Black Hall, damals, vor so vielen Jahren, bei ihrem ersten Abschied von so vielen, die über die Zeit gefolgt waren.
    Noch ehe sie etwas hätte sagen können, hörte sie ihn schon eilig die Treppen hinablaufen, als sei er auf der Flucht. Sie trat auf den Balkon und sah hinab, folgte ihm mit Blicken, wie er seinen Hut aufsetzte und davonging. Ein Hut, zwischen einem Ozean aus Turbanen und Fesen, der irgendwann in dem regen Betrieb des abendlichen Menschengewirrs verschwand: der Engländer, der er nie sein wollte, ohne sich aber je wirklich für etwas anderes entschieden zu haben.
    »Leb wohl, Richard, alter Gauner«, flüsterte sie ihm hinterher. Sie wusste, sie würde ihn nie wiedersehen.

14
     Damaskus. Die Stadt, von der die Beduinen behaupten, sie sei von Uz gegründet worden, dem Enkel Shems, dessen Vater Noah war; die schon vor der Zeit Abrahams existierte – eine der ältesten, bewohnten Städte der Welt. Eingebettet in den grünen Flor eines hügeligen Flusstales, das von weiß-gelben Kamillenblüten gesprenkelt und von Aprikosenhainen geziert war; umschlossen von der sonnenverbrannten Wüste eine leuchtend weiße Stadt, unter bauchigen Kuppeln und eleganten Minaretten, gekrönt von in der Sonne schimmernden Halbmonden und durchflossen von den Fluten des Barada. Sagenhafte Gärten durchzogen die Stadt, und Springbrunnen spendeten Kühle. Der Prophet Mohammed selbst soll sich von der Pracht dieser Stadt abgewandt haben, weil der Mensch nur ein einziges Mal das Paradies betreten kann und er es vorzog, auf das Paradies Allahs zu warten. Hier befanden sich auch die Straße, die in der Bibel »die Gerade« heißt, und das Haus, in dem Hananias dem durch die göttliche Erscheinung erblindeten Saulus die Hände auflegte und ihn wieder sehend machte, sowie das Grab des legendären Sultans Saladin, des Widersachers von König Löwenherz. Ein Labyrinth aus Gassen, deren vergitterte Fenster sich fast über den Köpfen der Passanten trafen, die Araber waren, Juden, Türken, Beduinen, Perser, Kurden, Anatolier und Afrikaner. Wasserhändler und Milchverkäufer priesen ihre Getränke an, Esel und Kamele mischten sich unter die Menschen, und die streunenden Hunde, die nach allem schnappten, was essbar schien, lieferten sich knurrend und jaulend heftige Kämpfe. Es war die Stadt der hamams , der Bäder, und die der harems , der Frauengemächer.
    Vor allem war Damaskus aber auch die Stadt der suqs , farbenprächtig und quirlig, und am Rande eines solchen zappelte gerade Yusuf bin Nadirs knochiger Zeigefinger durch die gewürzschwere Luft. »Rück ihn mehr nach rechts. Ja, so.« Er atmete tief durch, als hätte nicht Rashad, sondern er selbst die prall gefüllten Säcke mit Schmuck, Stoffen und Eisenwaren auf die Kamele gehievt. »Das lobe ich mir!«, schnaufte Yusuf nun. »Wir haben gutes Geld für unsere Waren bekommen und neue günstig eingekauft. Ein tüchtiger Gewinn ist unser! Ich sage zu Recht immer: Damaskus ist eine Reise wert!« Mit einem Ausdruck höchster Zufriedenheit auf seinem faltigen Gesicht tätschelte er das soeben beladene Kamel, dann lachte er unvermittelt auf. »Stell dir mal vor, was einer meiner Kunden mir heute erzählt hat: Der neue Konsul in Damaskus ist ein verrückter Engländer, der in jungen Jahren in der Verkleidung eines hajji nach Mekka gewandert ist! Hast du so was schon gehört?«
    Rashads Kopf fuhr herum und, als sei ihm ein Geist erschienen, starrte er Yusuf an. »Was hast du gesagt?« Nachdem es keine Geheimnisse mehr gab, hatte auch Rashad seine Förmlichkeit abgelegt. Doch noch ehe Yusuf antworten konnte, hakte er nach: »Heißt dieser Mann Burton? Richard Burton?«
    Nun war es an Yusuf, verblüfft dreinzublicken. Sein Zeigefinger pulte erst in seinem Ohr, schob sich dann unter seine keffiyeh und kratzte darunter herum. »Ich glaube … das könnte sein … Doch weshalb …« Er sprach weiter, doch Rashad hörte nicht mehr zu.
    Rashad spürte, dass all die Worte, mit denen er Yusuf seine Geschichte erzählt hatte, wie
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