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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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macht, seit ein dunkelbrauner, psychedelisch gemusterter Plastik-Hochstuhl mit abnehmbarem Tablett und Anti-Schmutz-Beschichtung davorsteht.
    Ich liebe ja auch sehr die Leute, die bisher von eigenem Nachwuchs verschont geblieben sind und mir mahnend zuraunen: «Du, du hast da einen Fleck.»
    Ach was? Ich habe ständig irgendwo einen Fleck – wenn ich Glück habe. Meistens habe ich aber achtzehn Flecken unterschiedlichster Herkunft, hier etwas Pastinake, da ein bisschen Nasenblut oder Dinkel-Heidelbeer-Gemisch.
    Der Höhepunkt aber war, als mein Freund David neulich seinen Besuch ankündigte. «Komm doch eine halbe Stunde früher», sagte ich, «dann ist Schlominsky noch wach, und du kannst ihn dir anschauen.» Seine Reaktion: «Warum? Ich weiß doch, wie er aussieht. Du hast mir erst letzten Monat Fotos geschickt.»
    Es ist nun mal so: Leute, die gewohnt sind, sich in ganzen und verständlichen Sätzen zu unterhalten, empfinden ein Kleinkind nicht als anregenden Gesprächspartner. Sie sehen die Schönheit nicht, die in einer gut gefüllten Windel verborgen liegt. Sie hören nicht die holde Melodie hinter dem schmetternden Bäuerchen, und sie empfinden es nicht als pädagogisch wertvolles Geräusch, sondern schlicht als ohrenbetäubenden Lärm, wenn dein Kind mit einer Blechdose auf Steinboden haut.
    Auch wenn es wehtut, man muss sich als Mutter immer wieder klarmachen: Ein Baby ist kein interessanter Mensch. Und nein, da gibt es keine Ausnahme.
    Fast keine.

«Heute sind Kinder ein Juwel –
    und müssen funkeln, sonst hat es
    sich nicht gelohnt.»
    REMO LARGO
    3. März
    R ituale, die früher in reibungsloser Harmonie abliefen, geraten jetzt zu ernstzunehmenden Herausforderungen.
    Die Nahrungsaufnahme: Da das Kind mittlerweile weiß, wie man brav ein Gläschen Bio-Müsli ohne nennenswerte Verzögerung aufisst, möchte es jetzt zeigen, was es noch alles kann, nämlich die Küche innerhalb weniger Minuten in einen dringend renovierbedürftigen Raum zu verwandeln. Der Brei geht ja nicht nur in den Mund rein, er kommt auch wieder raus – toll! Und wenn ich bloß heftig genug mit den Armen herumfuchtele, bekommt auch Mamas weiße Bluse was zu essen – toll! Und wenn ich mit beiden Händen nach dem Löffel greife und mir dann das Möhrenmus in die Haare schmiere, ist das ein ganz neuartiges haptisches Erlebnis – toll!
    Das Baden: Vorbei die Zeit, in der Baby sich behaglich und entspannt in der Wanne aalte wie eine greise Seekuh. Jetzt dient das Badewasser hauptsächlich einem Zweck: so viel wie möglich davon durch intensives Planschen und Strampeln aus der Wanne heraus- und auf den Badezimmerboden zu befördern. Ein ernsthafter Wasserschaden, der auch die Nachbarschaft in Mitleidenschaft ziehen wird, ist nur noch eine Frage der Zeit.
    Das Einschlafen: Nach wie vor schläft das Kind am besten auf einem beweglichen Untersatz ein, der Mama, Papa oder Patenonkel heißt. Bloß wiegt das gute Stück mittlerweile fast so viel wie ein Kasten Mineralwasser! Ich denke, die spätgebärende Mutter tut gut daran, sich beizeiten einen ausgezeichneten Orthopäden zu suchen.
    Und einen hervorragenden Psychiater, denn das Windelwechseln ist mittlerweile zu einer nervlich kaum mehr zumutbaren Belastung geworden. Einem sehr beweglichen und übellaunigen Objekt die Hose und die Windel auszuziehen, den Hintern abzuputzen, womöglich noch einzucremen und das Ganze wieder sauber zu verpacken, ist eine ungeheure physische und psychische Leistung. Ehrlich, da wäre ich auch lieber Vorstand einer Bank und käme nach neun nach Hause, wenn die Kinder sicher schlafen.
    Nun will ich aber nicht unerwähnt lassen, dass das Zusammenleben mit einem Zehn-Monats-Baby auch seine Vorteile hat. Man kommt zum Beispiel viel an die frische Luft. Mein Sohn findet das Zusammensein mit mir allein auf Dauer nämlich zu langweilig. Deswegen sind tägliche Spaziergänge und Besuche auf dem Spielplatz angesagt.

    Da sitzt er dann rum, versucht den Sandkasten leerzuessen und die Förmchen der anderen Kinder in seinen Besitz zu bringen. Dabei tut er die ganze Zeit so, als gäbe es mich gar nicht, und winkt aufdringlich fremden Eltern zu, als wolle er unbedingt adoptiert werden.
    Bloß wenn es Probleme gibt – Hunger, Windel voll, Hintern kalt, oder ein Kind nimmt ihm ein Spielzeug weg, das ihm sowieso nicht gehört –, dann bin ich meinem Sohn wieder gut genug. Da werden die Ärmchen hochgerissen, nach einem Erziehungsberechtigten krakeelt, und jeglicher Wunsch
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