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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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nach Abnabelung und Selbständigkeit ist auf der Stelle vergessen.
    Na ja, Hauptsache frische Luft und viel Bewegung, sag ich immer. Außerdem kann man auf dem Spielplatz ganz wunderbares Sozialkino in 3-D erleben.
    Es gibt die Mütter, die immer alles dabeihaben. Und zwar strategisch so überlegen gepackt, dass sie eine komplette Überlebensausrüstung inklusive Sitzkissen, Sandspielzeug, Thermoskanne, Wechselwäsche, Feuchttüchern, Apfelstückchen, Möhrenschnitzen und Fieberzäpfchen in einer einzigen Wickeltasche, die am Kinderwagen hängt, unterbringen können.
    Wenn ich ausnahmsweise mal alles dabeihabe, muss ich mit dem Auto fahren.
    Meistens haben die Mütter, die immer alles dabeihaben, Töchter. Die tragen winzige Ugg-Boots, schmalgeschnittene Jeans und rosafarbene Daunenjacken von Ralph Lauren. Diese zuckersüßen kleinen Damen spielen im Sand, ohne sich schmutzig zu machen oder sich gegenseitig mit Schaufeln oder Ästen zu bedrohen.
    Missmutig und neidisch beobachten Johanna und ich die Mädchenmütter, die ab und zu ihren kleinen Engeln ein Spängchen ins Haar schieben, das fliederfarbene Kleidchen zurechtzupfen – das am Abend noch genauso sauber sein wird wie am Morgen – und ansonsten entspannt ihr Gesicht in die Sonne halten oder sich auf ihrem Sitzkissen in ein Buch vertiefen, während das Selbstgezeugte anmutig und ruhig ein Sandküchlein für ihre Puppe backt.
    Johanna hingegen ist nur in Sachen Schadensbegrenzung unterwegs. Irgendeiner ihrer Söhne tut immer gerade etwas, was nicht so gern gesehen wird. Mit Sand schmeißen, Schimpfworte brüllen, Mädchen ärgern, sich in eiskalten Pfützen suhlen.
    Mädchenmütter springen nur dann panisch auf, wenn sich ein Junge mit Spaten, Eimer und sehr lauter guter Laune nähert. Dann tun sie so, als hätte ein Dobermann ohne Maulkorb die Sandkiste betreten.
    Als jedoch neulich ein forsches Mädchen Johannas Sohn vom Schwebebalken schubste, weil er ihr irgendwie im Weg war, sagte ihre Mutter stolz: «Die Karlotta weiß eben schon ganz genau, was sie will.»
    Jungs hingegen gelten als gewaltbereit und schwererziehbar, sobald sie ganz genau wissen, was sie wollen.
    Neulich klagte Johanna mir ihr Leid: «Ich werde diskriminiert! In Spaßbädern, auf Indoor-Spielplätzen und als Teilnehmerin von Spielgruppen, in denen irgendwas früh gefördert werden soll, bin ich nur mäßig gern gesehen. Keiner freut sich, dass ich zwei Söhne habe. Nicht selten denke ich ja selbst: Das sind zwei zu viel. Der eine ist zweieinhalb und zeigt bereits geschlechtsspezifisches Verhalten wie grundsätzlich sehr lautes Sprechen, unter keinen Umständen ruhiges Sitzen, niemals langsames Gehen und auf Mama zielen mit allem, was auch nur im Entferntesten an eine Schusswaffe oder ein Ritterschwert erinnert. Der andere ist fünf und, nun ja, ich möchte sagen, eine wunderbare Herausforderung an die Weiterentwicklung meiner pädagogischen Fähigkeiten. Ein Junge, wie man ihn sich früher gewünscht hätte, als Männer und ihre typischen Eigenschaften noch nicht gesellschaftlich geächtet wurden. Bei dem Mutter-Kind-Kurs ‹Musikgarten›, den ich als aufgeklärte Spätgebärende selbstverständlich gebucht hatte, fielen zwei Dreijährige, einer von ihnen natürlich meiner, ständig auf. Erstens, weil sie selbstbewusst und fröhlich tanzten und trommelten – nicht wohltemperiert, aber engagiert. Und zweitens, weil sie es nicht schafften, lange konzentriert stillzusitzen und verschiedenen Vogelstimmen zu lauschen oder leise Xylophon zu spielen. ‹Zu lebendig›, nannte die leitende und leidende Pädagogin unsere Jungs. Und die Mutter eines sehr zurückhaltenden Mädchens sagte mir vor ein paar Wochen, sie würde nie wieder einen Kurs buchen, bei dem ich und mein Sohn dabei seien, da ich offenbar nicht in der Lage sei, mein Kind zu bändigen. Nach der richtigen Antwort suche ich bis heute.»

    Ich habe die Antwort. Also nicht ich persönlich, aber ich habe mit dem Experten Dr.   Jan-Uwe Rogge gesprochen. Der ist Familienberater und Autor der Bestseller «Kinder brauchen Grenzen» und «Lauter starke Jungen». Seine Antwort widme ich Johanna und mir und allen Jungs-Müttern, denen auch manchmal glauben gemacht wird, sie hätten einfach wahnsinniges Pech gehabt, dass ihre Söhne keine Töchter sind:
     
    Achten Sie auf Ihren Sohn und nicht auf solche blöden Harmonie-Tussen. Es stimmt: Wenn man einen Jungen hat, ist man schnell stadtbekannt. Jungen spielen nicht schön und anmutig. Man
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