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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz
Autoren: Alexander Kent
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Aufgabe. Doch sie mußte immer wieder an den Mann denken, der sie gerade eben verlassen hatte. Er sah so jung aus und schien in den Sekunden, als er den Handschuh aufhob und ihn ihr wiedergab, so verletzlich. Er hatte das nicht verbergen können. Das bewegte sie und machte sie froh.
    Um vier Glasen ging an diesem Nachmittag Seiner Majestät Schiff
Reaper
ankerauf, fand ihren Weg unter Bramsegeln und Fock aus dem Hafen und erreichte die offene See. Viele Blicke folgten ihr, doch niemand rief Hurrah oder wünschte ihr Glück. Kapitän Adam Bolitho verfolgte sie mit den Augen, bis sie verschwunden war. Sie war frei.
    »An Deck. Boote im Wasser, genau voraus!«
    Tyacke trat an das Kompaßhäuschen und hörte vom Vorschiff her acht Glasen.
    »Ich hatte schon meine Zweifel, Mr. York.«
    Der Master rieb sich die Hände. »Mit Gissen und Gottes Hilfe schafft man’s meistens, Sir!«
    Tyacke sah über das Deck. Die Kanonen waren hinter geschlossenen Pforten festgezurrt. Männer arbeiteten, doch waren unsicher über das, was sie erwartete. Die
Indomitable
lief genau West, der Wind kam achterlich von Backbord. Die Gischt war mächtig und kalt wie Regen.
    Als er wieder nach achtern sah, stand Bolitho immer noch an der Heckreling und schien die Seeleute um ihn herum und die Seesoldaten an den Finknetzen vergessen zu haben.
    York kam näher und wollte wissen: »Was macht dem Admiral Kummer? Wir haben die Landung verhindert. Das ist mehr, als viele von uns gehofft hatten.«
    Tyacke starrte auf die scharfe Kimm, die hell im Mittagslicht lag. Sonne ohne Wärme, der stetige Wind füllte die Bramsegel, aber sehr lebendig war er nicht.
    Die Verluste des Geschwaders waren geringer als in einem direkten Gefecht. Die Amerikaner hatten es eilig gehabt davonzusegeln, waren nicht willens, ein Gefecht im Vorübergehen zu führen – ohne erkennbaren Sinn.
    Wenn sie sich gesammelt und neu gruppiert hätten, wäre es anders ausgegangen. Die Fregatte
Attacker
war entmastet worden. Die kleinere
Wildfire
war von gut gezielten Fernschüssen so durchlöchert worden, daß ihr Bug bereits unter Wasser war, als man sie endlich an die Trosse nahm. Die meisten Ausfälle gab es auf den beiden Schiffen – dreißig Tote und viele Verwundete. Es war Zeit, den Kampf abzubrechen, und Bolitho hatte das erkannt. Tyakke hatte ihn beobachtet, als die Signale entziffert wurden, die Verluste und Schäden meldeten. Manch einer glaubte vielleicht, der Admiral sei erleichtert, weil die
Indomitable
nicht mitten im Gefecht gestanden hatte und nicht getroffen worden war. Doch wer das glaubte, war ein Narr.
    Er drehte sich um.
»Was?«
    Leutnant Daubeny zuckte zusammen. »Ich frag mich wegen des Feuers in der Kombüse, Sir…«
    Mit Mühe schluckte Tyacke seinen Ärger hinunter.
    »Dann fragen Sie sich mal weiter, Mr. Daubeny.« Er schaute nach achtern, hörte die Stimme wieder, so als habe Bolitho gerade eben gesprochen. Als er meldete, daß es bei dem gestrandeten, rauchvernebelten amerikanischen Schiff keine Boote mehr gäbe, hatte Bolitho gesagt: »Es war Mord, James. Zwar durch den Krieg gerechtfertigt, doch immer noch Mord. Wenn das der Preis des Sieges ist, möchte ich nicht an ihm teilhaben.«
    Unvermittelt sagte Tyacke: »Das war eben nicht fair von mir, Mr. Daubeny. Lassen Sie dem Zahlmeister ausrichten, daß jeder eine Extraportion Rum bekommt. Und auch zu essen, falls etwas vorbereitet ist. Doch das Feuer in der Kombüse bleibt aus, bis ich genau weiß, was geschehen wird.«
    »Ich verstehe, Sir!« sagte Daubeny.
    Tyacke wandte sich ab. »Ich glaube nicht, Mr. Daubeny, aber das ist auch egal.« Zu York sagte er dann: »Sir Richard bedrückt das, Isaac. Es geht ihm zu nahe. So habe ich ihn noch nie vorher erlebt.«
    York schob sich eine störrische graue Locke unter den Hut zurück. »Ja, kann ich verstehen, wenn ihn das bekümmert.«
    Tyacke ging zum Kompaßhäuschen und zurück. »Melden Sie mir, wenn Sie die Boote von Deck aus sehen. Die Männer haben dann was zu tun, wenn wir sie wieder an Bord hieven.« Er klopfte dem Master auf die Schulter.
    »Das war meisterhaft navigiert, Mr. York.« Dann wollte er von Allday wissen, der vom Niedergang nach achtern gekommen war: »Sie kennen ihn am besten, Allday. Was meinen Sie?«
    Bedrückt sah ihn Allday an. »Kann ich nicht sagen, Sir.« Er folgte Tyackes Blick zu der einsamen Gestalt an der Heckreling – der Held, gänzlich einsam.
    Dann besann er sich. Der Kapitän war schließlich ein Freund, nicht irgendein
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